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Liebe Besucherinnen und Besucher,

das Stadtarchiv ist das „Gedächtnis” der Stadt. Es übernimmt, verwahrt, ergänzt und erhält Unterlagen zu dessen Geschichte.

Das Stadtarchiv steht allen Bürgerinnen und Bürgern offen. 

 

 

Am 12. und 13. März ist das Stadtarchiv aufgrund einer Fortbildung nicht besetzt, der Lesesaal ist geöffnet.

 

 

  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Unterm Hakenkreuz“. Ein Filmabend im Archiv zeigt Filmdokumente vom Alltag in der NS-Diktatur

Foto: LWL-Medienzentrum: Landjugendtreffen Tecklenburg

Montag, 17. März, 19 Uhr, Stadtarchiv Detmold / Landesarchiv NRW, Willi-Hofmann-Str. 2, Detmold

Veranstalter: Stadtarchiv Detmold mit dem Arbeitskreis Lippischer Archive, LWL-Medienzentrum und der Naturwissenschaftliche und Historische Verein für das Land Lippe 

Unmittelbare und bewegende Einblicke in die Alltagsgeschichte der NS-Zeit in Westfalen-Lippe eröffnet eine neue Filmdokumentation, die das LWL-Medienzentrum für Westfalen unter dem Titel „Unterm Hakenkreuz. Westfalen 1933-1945 im Amateurfilm“ produziert hat und die jetzt im Detmolder Archiv gezeigt wird. 

„Amateurfilme sind eine bislang wenig beachtete Quelle zur regionalen Geschichte des ‚Dritten Reiches‘. Sie zeigen nicht nur, wie das öffentliche Geschehen im Sinne der NS-Ideologie umgestaltet wurde, sondern auch, wie sich der Nationalsozialismus seinen Weg bis in die privaten Räume der Familie bahnte“, so das LWL-Medienzentrums für Westfalen, das die Idee für das Projekt hatte.

Etwa 60 Filme sind in die rund 70-minütige Filmdokumentation „Unterm Hakenkreuz“ eingeflossen. „Bei der Recherche zeigten sich natürlich auch Leerstellen“, so Sebastian Kuhlmann, der als Wissenschaftlicher Volontär die Dokumentation inhaltlich umgesetzt hat. „Denn die private Filmkamera durfte nicht überall dabei sein und so wurden insbesondere die unzähligen Verbrechen des Regimes von Amateurfilmern fast nie festgehalten.“

Doch zu vielen anderen Fragestellungen können Amateurfilme Auskunft geben: Wie drang die NS-Diktatur so schnell buchstäblich bis ins letzte Dorf vor? Wie veränderten sich der Alltag und die Feiertage in der westfälischen Provinz? Wie wuchsen Kinder und Jugendliche in der Hitler-Diktatur auf? Und welche Auswirkungen hatte der Zweite Weltkrieg auf das Leben?

Mit der Filmvorführung in Detmold ist auch die Aufforderung verbunden, Filme, die sich noch in Privathaushalten befinden, an Archive abzugeben. Dort können sie fachlich gelagert und inhaltlich ausgewertet werden.

Der Eintritt ist frei.

 

 

   

„Der andere Blick“: Britische Berichterstattung 1945-1950

Das Foto zeigt die Parade einer britischen Militäreinheit in Detmold.
Foto: Stadtarchiv Detmold

Montag, 24. Februar, 19.30 Uhr, Stadtarchiv Detmold

In diesem Jahr jährt sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum 80. Mal. Noch immer werden zur Phase des Kriegsendes neue Erkenntnisse gewonnen. In ihrer Dissertation hat Petra Wissbrock aus Detmold die „Kreis Resident Officers“ während der Zeit der Besatzung untersucht. In ihrem Vortrag am Montag, 24. Februar, 19.30 Uhr, im Detmolder Stadtarchiv, Willi-Hofmann-Straße 2, erläutert sie nun, wie diese britischen Verwaltungsbeamten die deutschen und in diesem Fall konkret die Verhältnisse in Lippe beurteilten. Sie beschreibt die Etablierung der britischen Herrschaft im damaligen Kreis Detmold und den Erfolg der Demokratisierungsbemühungen nach 1945. Für ihre Arbeit hat sie nicht nur im Detmolder Stadtarchiv, sondern auch in britischen Archiven geforscht und konnte so bislang unbekannte Quellen auswerten.

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des Stadtarchivs/Landesarchivs NRW mit dem Naturwissenschaftlichen und Historischen Verein für das Land Lippe e.V., der Eintritt ist frei. 

Detmolder Verfolgte des NS-Regimes

Zur aktualisierten Fassung der Gedenktafel für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft

Vortrag von Gudrun Mitschke-Buchholz
Haus Münsterberg am 13.2.2025 

Wir stehen erst am Anfang eines sehr geschichtsträchtigen Jahres, in dem sich einige entscheidende – wie man so sagt - runde Jahrestage finden. Vor 80 Jahren wurde Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Der Internationale Holocaust-Gedenktag bezieht sich auf dieses Datum, auf diese Befreiung, die für viele der ehemaligen Häftlinge keine Freiheit bedeutete. 80 Jahre, das ist etwa ein Menschenleben. Viele, die sich noch erinnern konnten, haben wir verloren. Der 80. Jahrestag des Kriegsendes im Mai, wiederum ein Tag der Befreiung, ist sicherlich nicht nur für uns einer der bedeutsamsten. Den Termin für diesen Vortrag am heutigen 13. Februar – den 80. Jahrestags der Bombardierung Dresdens und der entsetzlichen Folgen – habe ich nicht unter der Prämisse dieser Bedeutsamkeiten gewählt. Wichtig erscheint mir angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre meiner Hoffnung Ausdruck zu verleihen, dass die symbolische Menschenkette der Dresdener Stadtgesellschaft als Schutz vor rechter Vereinnahmung hält. Was halten wir dagegen?

Vor fast genau 30 Jahren, im November 1995, konnte ein Meilenstein der Detmolder Stadtgeschichte und ihrer Erinnerungskultur der Öffentlichkeit überantwortet werden. 1995 – 50 Jahre nach Kriegsende wurde die Gedenktafel, in ihrer ersten Fassung, für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft feierlich eingeweiht. Damit erfuhren die Gedenkstätte und der Gedenkstein im Rücken der Alten Synagoge eine Erweiterung, die diesen Ort zu einem wichtigen Ensemble des Gedenkens machte. Vielleicht erinnern Sie sich, mit so etwas wie Stolz hatten wir wenige Jahre zuvor auf das neu errichtete Mahnmal geschaut. Der Hinweis der Überlebenden und deren Nachfahren jedoch, dass wir mehr als 40 Jahre nach dem Kriegsende gebraucht hatten, um endlich öffentlich sichtbar die Toten zu würdigen und unserer Verantwortung öffentlich sichtbar nachzukommen, ernüchterte und beschämte uns gleichermaßen. Mit der Gedenktafel, auf der 151 Namen verzeichnet waren, wurde aber nichts weniger als ein Paradigmenwechsel in der Detmolder Erinnerungskultur vollzogen. 

Denn bislang wurde auch auf dem Gedenkstein an der Alten Synagoge namenlos der Opfer der NS-Gewaltherrschaft gedacht, vor allem der 6 Millionen jüdischen Toten. 6 Millionen Jüdinnen und Juden, über 60 Millionen Todesopfer des 2. Weltkriegs – das waren die Zahlen, unvorstellbare Ausmaße einer Katastrophe. Diese Unvorstellbarkeit ließ viele verstummen, fassungslos und um Worte ringend. Einerseits. Doch andererseits bot gerade diese Unvorstellbarkeit die Möglichkeit einer schützenden Distanz oder auch den Versuch, der Realität auszuweichen. Die Gedenkkultur stand vielfach vor dieser unvorstellbaren Zahl: Die Opfer. Dies spiegelte und spiegelt sich bis heute in Formulierungen auf Gedenksteinen und auch in den Reden, in denen Formulierungen wie „das dunkelste Kapitel unserer Geschichte“ zum festen Kanon gehören. Holocaust und Shoah, auch diese Begriffe taten und tun ihr Übriges. Aber was verändert sich, wenn wir stattdessen von Völkermord und statt von Schuld von Verantwortung sprechen? In „das dunkelste Kapitel“ kann doch längst durch Dokumente, Beweise, Lebensberichte und mehr – um im Bild zu bleiben – Licht gebracht werden. Und was verändert sich, wenn aus der Gruppe der „Opfer“ Menschen hervortreten? Wenn es nicht mehr „die Namenlosen“ sind, sondern wenn uns Bertha Gerson, Leo Silberberg, Josef Happe, Hans Stephan oder Emma Höveler zumindest durch die erhaltenen  Unterlagen entgegentreten? Mit der Gedenktafel wurde dieser Paradigmenwechsel auch in unserer Stadt dokumentiert - und es wurde schwerer auszuweichen. Nun waren die Namen von Menschen verzeichnet, die der Stadtgesellschaft angehört hatten, Nachbarn, Freunde, Bekannte, Geschäftspartner oder Kollegen, die nun in einem symbolischen Akt wieder zurückkehrten und sichtbar wurden. Sie traten aus dem namenlosen Ungefähren und aus dem Schatten der mangelnden Kenntnisse hervor. Damit erhielt die Gedenk- und Erinnerungskultur eine andere Qualität: Eine konkrete Erinnerung im öffentlichen Raum.

151 Namen waren nun auf dieser ersten Tafel zu lesen. Neun von ihnen gehörten zu nicht-jüdischen Verfolgten. Und auch dies dokumentierte bereits eine Haltung den Verfolgten und den einzelnen Verfolgtengruppen gegenüber, die keinen Unterschied machte, die nicht durch eine Rangfolge bewertete – und die nicht selbstverständlich war. 
Die Dimension des Völkermordes an den Jüdinnen und Juden spiegelte sich auch in Detmold wider. Bis dahin waren die Namen der Verfolgten nirgends zusammengefasst verzeichnet. Nirgends konnten die damals noch lebenden Angehörigen sehen, dass ihrer toten Familienmitglieder gedacht wurde oder dass sie öffentlich sichtbar gewürdigt wurden. Aber nicht nur die Nachfahren fanden sie nicht, auch wir – die Nachkommenden – hatten keinen Ort, an dem der Menschen gedacht wurde, die der größten Katastrophe der Geschichte auch der Stadt Detmold zum Opfer gefallen waren. Manche von Ihnen erinnern sich: Wolfgang Müller, 1995 schwer von seiner Erkrankung gezeichnet, war schon lange den Spuren der Verfolgten maßgeblich und einem Pionier gleich nachgegangen und konnte nun das Ergebnis seiner Arbeit auf dieser ersten Tafel sichtbar machen. An diesem Abend konnte er diese Rede, sein Vermächtnis, nicht zu Ende vortragen, weil er – zu sehr geschwächt – der Wucht dessen, wovon er zu sprechen hatte, nicht standhielt. Zudem standen Nachfahren, Familienangehörige der Ermordeten, die zu dieser besonderen Gedenkfeier eingeladen und zu Freunden geworden waren, direkt vor ihm. Er sprach über die bisher „radikalste Tatsache der Weltgeschichte“, der Vernichtung der europäischen Juden, und musste abbrechen. Micheline übernahm die Fortsetzung nicht nur dieser Rede an diesem Abend. Vorausgegangen waren Wolfgangs eingehende Recherchen in alten Klassenbüchern der früheren Mädchenschule, an deren Nachfolgerin er Lehrer war. Eine wissenschaftliche Erforschung dieser Lebenswege ermöglichte seine Arbeit als Archivpädagoge am damaligen Staatsarchiv. „Die Opfer“ erhielten nun durch die dort verwahrten und ausgewerteten Dokumente einen Namen und einen Teil ihrer Lebensgeschichte.
Von Beginn an war es Konsens, dass die Betroffenen aller Verfolgtengruppen hier abgebildet werden sollten, um einer Hierarchisierung der Opfer, einer Einteilung in richtige und nichtrichtige oder nichtganzrichtige Opfer, an deren Spitze die Ermordeten von Auschwitz stehen und die mit denen als „asozial“ Verfolgten endet, nicht das Wort zu reden. Dies ist nicht selbstverständlich, denn an vielen Orten wurde ausschließlich der jüdischen Verfolgten gedacht.
Vor kurzer Zeit erhielt ich einen Anruf aus einer Stadt dieser Region, wo in einem der Stadtteile durch eine Gedenktafel ausschließlich an die jüdischen Verfolgten erinnert werden sollte. Kritisch angemerkt wurde, dass auf der Detmolder Gedenktafel ja „ein großes Durcheinander“ herrsche. Ob man denn nicht wenigstens, wenn man schon andere Verfolgtengruppen mitaufnehmen müsse oder wolle, die einzelnen Gruppen in eindeutiger Reihenfolge und Anordnung kenntlich machen könne. Was für ein Ansinnen. Welche Kriterien sollte ich dieser Anordnung zu Grunde legen, die der Täter?


Bereits bei der Einweihung der ersten Gedenktafel wurden der Wunsch und das Ziel formuliert, nicht nur bei der Nennung von Namen zu bleiben, sondern die einzelnen Lebensweges der Verfolgten zu erforschen und in einem Gedenkbuch zu dokumentieren. Insofern sind Gedenktafel und Gedenkbuch untrennbar miteinander verbunden und ohne einander nicht denkbar. Die Tafel ist sozusagen ein Abbild des Gedenkbuches, und so werde ich in meinen folgenden Ausführungen über beides sprechen. Mit dem Gedenkbuch, das schon lange kein Buch mehr ist, sind nicht nur die Namen der Menschen öffentlich sichtbar und zugänglich, sondern auch ihre Geschichte, soweit dies durch die überlieferten Dokumente möglich ist. Denn das, was zu rekonstruieren ist, stammt aus den Akten der Täter, aus Verwaltungsvorgängen, von Listen und nur in den wenigsten Fällen aus persönlichen Hinterlassenschaften. Aber was weiß man, wenn man das weiß? Die Unkenntnis all dessen, was den jeweiligen Menschen ausmacht, bleibt dem Forschenden, bleibt uns verschlossen. Dies sind die Grenzen dieser Arbeit, aber gerade diese fehlenden Kenntnisse, diese Leerstellen eines Lebenslaufs, dieses Ich-weiß-es-nicht birgt aus meiner Sicht etwas sehr Kostbares, etwas Wertvolles in sich: nämlich Respekt und Hochachtung. 

2001 erschien die Druckfassung des Detmolder Gedenkbuches, in dem nun 162 Lebenswege nach vertiefter Recherche verzeichnet waren. Durch die Erforschungen von Detmolder Verfolgten und ihren Biografien in Gedenkstätten, Archiven und in den seltenen Glücksfällen eines persönlichen Nachlasses, durch Interviews mit Nachfahren konnte im Mai 2001 eine zweite Fassung der Gedenktafel installiert werden. Die Gedenktafel hatte sich bereits als fester Bestandteil der Erinnerungskultur in Detmold etabliert. Auch die Namen dieser  Vertriebenen, Ausgeschlossenen, Nicht-Dazugehörigen, Vergessenen und Verdrängten, derer, die den starren Blick nach vorn in eine gewiss bessere Zukunft (allerdings ohne sie) störten, waren nun im öffentlichen Raum dokumentiert.
Forschung endet nicht. Und dass noch lange kein Ende erreicht war und noch lange nicht alle gefunden worden waren, deren Namen auf der Gedenktafel erscheinen sollten, wusste natürlich auch der ehemalige Stadtarchivar Andreas Ruppert. Zusammen mit ihm und einer kleinen Arbeitsgruppe konnten zwölf weitere Verfolgte ermittelt und deren Verfolgungsgeschichte dokumentiert werden. Ihre Namen fanden sich auf einer zusätzlich angebrachten Tafel. Im November 2013 konnte sie relativ unbemerkt – nun ohne Einweihung und ohne eine Ansprache –  der öffentlichen Erinnerung übergeben werden. Zu lesen waren nun auch die Namen von Else, Siegfried und Inge Brandt, Erich Echterhoff, Hermann Filges, Josef Happe, Reimer Hehnke, Irmgard Heiss, Jette Ries, Margot Rothenberg und Albert Schmick. Auf dieser Tafel war auch der Name von Herbert Levi aus Rohden im Landkreis Waldeck-Frankenberg zu lesen, der als Elfjähriger die Schule in der Gartenstraße 6 besucht und bei sogenannten Pensionseltern gelebt hatte. Meine späteren Recherchen ergaben allerdings, dass Herbert Levi überlebt hatte. Auf den Gedenktafeln und im Gedenkbuch waren zu diesem Zeitpunkt all diejenigen verzeichnet, die die Verfolgungszeit nicht überlebt hatten und ermordet worden waren. Die Überlebenden waren bis dato hingegen nicht dokumentiert, was einem Opferbegriff entsprach, der nicht haltbar ist. Denn waren diejenigen, die schwer geschädigt aus den Lagern befreit wurden oder ins Exil getrieben worden waren, diejenigen, die trotz allem zurückkehrten oder für die „nie wieder“ bedeutete, nie wieder einen Fuß auf deutschen Boden zu setzen, keine Opfer? Die Frage beantwortet sich natürlich von selbst. Die Festlegung der Aufnahmekriterien auf die Detmolder Gedenktafel und ins Gedenkbuch waren – und dies sei ganz deutlich gesagt – nicht auf jenes absurde Opferverständnis zurückzuführen, sondern war viel eher auf die Machbarkeit. So gab es für die Erarbeitung des Gedenkbuches nur ein Jahr Zeit, und vor diesem Rahmen mussten jene Entscheidungen getroffen werden, die allerdings erst 2023 dem skizzierten Opferbegriff angepasst wurden. Endlich werden nun auch diejenigen Verfolgten aufgenommen, die lange Jahre der Entrechtung, des Exils oder der Lagerhaft überlebt haben.
2013 gab es also die zusätzliche Tafel durch Andreas Ruppert. Die restlichen Tafeln blieben von Änderungen und notwendigen Korrekturen unberührt. Da aber die Forschungen beständig weiterliefen und immer wieder neue Lebensläufe zu dokumentieren waren, bildete die Gedenktafel schon länger nicht mehr den aktuellen Forschungsstand ab, der im nunmehr digitalen Gedenkbuch nachzuvollziehen war. Es ist – so meine ich – eine Besonderheit der Detmolder Gedenktafel, dass die Forschung aber beständig fortgesetzt und der jeweilige Kenntnisstand auf der dann aktualisierten Gedenktafel sichtbar wird


Sie erinnern sich, begonnen wurde mit 151 Namen von Verfolgten. Heute nun, 30 Jahr später, können wir 226 Namen auf der neuen Gedenktafel lesen. Zu den bislang aufgenommenen Verfolgtengruppen zählen Jüdinnen und Juden, die die weitaus größte Opfergruppe auch in Detmold darstellen, politisch Verfolgte, als „arbeitsscheu“ und „asozial“ Verfolgte, Opfer der „Euthanasie“ (Krankenmorde), Zeugen Jehovas bzw. Bibelforscher, Sinti und Roma, Deserteure und auch Opfer der NS-Justizverbrechen.
Es gilt aber, nicht nur über Zahlen zu sprechen, sondern über die Menschen, die sich hinter den Namen verbergen. Neu dokumentiert sind nun 75 weitere Namen von Menschen, die zu Feinden erklärt wurden, weil sie einem anderen Glauben zugehörten oder aus einem angeblich falschen Land der „Untermenschen“ stammten, die als lebensunwert galten und zu „Ballastexistenzen“ herabgewürdigt wurden, die der NS-Justiz und auch Militärjustiz in die Hände fielen, die einem gnadenlosen Arbeitsterror ausgeliefert waren, die einen angeblich unsittlichen Lebenswandel führten, der jenseits von Mutterkreuz und arischem Idealbild war, oder weil sie als Zigeuner ohnehin schon lange über den Rand der Gesellschaft getrieben worden waren. Sie alle bilden ein komplexes Bild der damaligen Detmolder Stadtgesellschaft. Ich möchte Ihnen einige Lebenswege von Verfolgten vorstellen, und ich weiß, es mag in dieser Dichte eine Zumutung sein, der zu stellen wir uns aber abverlangen sollten.
 

Auf der neuen Gedenktafel finden sich die Namen weiterer Jüdinnen und Juden, deren Zu- und Abwanderungen auch ihre Mobilität, die manche nur zwangsweise auszuüben hatten, verdeutlichen. Interessant auch in dieser Hinsicht und im Hinblick auf Lebenswelten sind junge jüdische Frauen. Sie lebten für einen kürzeren Zeitraum in Detmold und wohnten hier in jüdischen Pensionaten. Vermutlich wählten sie oder deren Eltern diese von Jüdinnen geführten Häuser, weil sie fern ihrer Heimatorte einen entsprechenden Rahmen mit gewohnten Sicherheiten boten. Zudem wurden sie in manchen Pensionen auch in gesellschaftliche Umgangsformen und in hauswirtschaftlichen Fertigkeiten ausgebildet und auf ein Eheleben vorbereitet. In Inseraten versprachen die in vorrangig größeren Städten ansässigen Institute speziell auch jüdischen Frauen eine wissenschaftliche und gesellschaftliche Ausbildung, die ein kulturelles Leben ebenso mit einschloss wie jene Unterweisungen in Haushaltsführung. Manche wiesen auch explizit auf die Einhaltung religiöser Regeln und Werte hin. In Detmold gab es drei solcher Pensionate: in der Emilienstraße bei Emilie Michaelis-Jena, in der Moltkestraße bei Thirza Jacobsberg und bis 1905 führte auch Emma Leeser solch ein Institut bevor sie nach Köln verzog. Else Goldstein aus Krefeld z.B. lebte als Haustochter in der Emilienstraße und konnte dann als Hausangestellte in Krefeld und Essen Anstellungen finden. Ihre Spuren führen über Düsseldorf in das Ghetto Litzmannstadt, das für sie nur eine Durchgangsstation war, bis sie im Vernichtungslager Kulmhof bzw. Chelmno ermordet wurde. Auch Else Grünewald war Pensionärin, wie es die Meldekarten als ihren Beruf dokumentieren. Auch sie wohnte  in der Emilienstraße. Else Grünewald wurde nach Riga deportiert. Ilse Marmorstein gehörte ebenfalls zu den Pensionstöchtern. Ihr Leben endete in Maly Trostinec bei Minsk.
Neu auf der Gedenktafel und im Gedenkbuch ist auch Hedwig Gutwer. Sie gehörte zu den sogenannten Ostjuden, die aus Angst vor den Pogromen und aus wirtschaftlicher Not am Anfang des 20. Jahrhunderts nach Deutschland kamen. Ihre Familie stammte aus Rozniatow in Galizien –  eines jener Stetl mit einem großen jüdischen Bevölkerungsanteil, immerhin waren es 1939 noch fast 42 %. Hedwig Gutwers Familie kam 1908 nach Detmold. Manche von Ihnen dürfte der Name Anna Vogelhut etwas sagen. Sie war eine der Schwestern von Hedwig Gutwer, geborene Bleicher genannt Soltys-Gottlieb – das sehr spezielle Namensrecht überforderte schon damals nicht nur die deutschen Behörden – und mich auch. Die langwierigen Bemühungen ihrer Angehörigen um Einbürgerung, die nach Jahren endlich errungen werden konnte, um unter den Nationalsozialisten wieder entzogen zu werden, verdeutlichen neben weiteren Schwierigkeiten ihren fragilen sozialen Status. Hedwig Gutwer lebte mit ihrem Mann und ihrer Tochter später in Langendreer, floh bereits im Mai 1933 nach Bedrohungen und  Verwüstungen ihres Geschäftes nach Antwerpen und wegen des deutschen Überfalls auf Belgien in einen kleinen Ort, Vaudreuille, in der Haute Garonne In Frankreich. Ein abgelegenes kleines Dorf, das vielleicht gerade deshalb nicht im Fokus oder im Interesse der Behörden stand. Zu den 128 Bewohnern des Dorfes kamen 80 Geflüchtete. Die Familie Gutwer befreundete sich mit dem Bürgermeister Juilla und dessen Familie – doch retten konnten sie sie nicht. Emanuel Gutwer war schon längere Zeit in verschiedene Internierungslager eingewiesen worden, als ein Nachbar Hedwig und Gerda Gutwer denunzierte. Ins Gedächtnis brannte sich wohl nicht nur der Familie Juilla das Bild von Hedwig Gutwer und ihrer Tochter auf der Brücke von Vaudreuille, als sie aus ihrem letzten Exilort weggebracht wurden und denen sie nichts hatten mitgeben dürfen, was ihnen die letzten Zeichen von Menschlichkeit hätten sein können. Hedwig, Emanuel und Gerda Gutwer wurden über Drancy nach Auschwitz deportiert. Von den ursprünglich 1013 Menschen aus diesem Transport überlebten 27. Die Familie Gutwer gehörte nicht zu ihnen. Sie wurden vermutlich unmittelbar nach ihrer Ankunft ermordet.
Das letzte Bild der Gutwers auf der Brücke von Vaudreuille ist natürlich nicht meines, aber es lebt inzwischen auch in meinem Gedächtnis verlässlich weiter, und dies sagt etwas aus über die Macht der Bilder. Nur wenige Tage nach der Veröffentlichung von Hedwig Gutwers Biogramm im Gedenkbuch nahm ein Mann aus Frankreich, Thomas Algans, Kontakt zu mir auf und bot mir einen Austausch, eine Zusammenfassung der Ereignisse in Vaudreuille und zahlreiche Dokumente an, die er akribisch in Archiven und Gedenkstätten zusammengetragen hatte. Er hatte dies getan, weil er durch seine Recherchen auch etwas über seine eigene Familiengeschichte erzählen konnte, denn Thomas Algans ist der Enkel jenes Bürgermeisters Paul Juilla. Thomas‘  Mutter lebt noch heute in Vaudreuille, jenem noch immer kleinen Dorf, in dem eine Gedenktafel auch an die Familie Gutwer erinnert.
Nachfahren der Ermordeten leben über die Welt verstreut, und Thomas hat auch sie aufgespürt. Zwei von ihnen wohnen in Israel und wollen als Dokumentarfilmer den Spuren der Familie nachgehen.
Auf der Gedenktafel finden sich auch die Namen von Menschen, die der NS-Justiz zum Opfer fielen. Sie gehören zumindest in Teilen zu den „vergessenen Verfolgten“. Es sind Menschen wie z. B. Fritz Büker unter ihnen, die sich öffentlich gegen den Unrechtsstaat gestellt hatten oder deren unbedachte Äußerungen sie zu „Staatsfeinden“ machten und die dann wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt wurden. Letztere Straftaten und deren Konsequenzen sind allgemein bekannt. Nach ihrer Verurteilung zu extrem hohen Haftstrafen und oftmals Ehrverlust erfolgte Gefängnishaft, aus der sie jedoch nicht in die Freiheit entlassen, sondern umgehend in Konzentrationslager überstellt wurden. Diese „Täter“ erhalten heute oftmals – nicht von allen –  Respekt für ihre widerständige Haltung.
Es finden sich aber auch hier in Detmold u. a. verurteilte Straftäter, deren Delikte wie Betrug oder Unterschlagung auch heute natürlich strafbar sind, die aber während des Terrorregimes mit völlig unverhältnismäßigen Strafen geahndet wurden, die Lagerhaft oder gar Todesurteil bedeuten konnten. Deutlich betont werden muss an dieser Stelle: Der NS-Strafvollzug stand außerhalb der Rechtsordnung. Insofern sind die als „Verbrecher“ oder als sogenannte Gewohnheitsverbrecher oder „Berufsverbrecher“ Inhaftierten und Ermordeten hier als Verfolgte der Gewaltherrschaft dokumentiert. Niemand, auch wenn er im heutigen Rechtsverständnis straffällig geworden ist, ist zu Recht in ein Konzentrationslager eingewiesen worden.
Als ein Teil der NS-Justizverbrechen traten die sog. Sondergerichte hervor, die außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit standen. Diese sind durch die massenhafte Verhängung von Todesstrafen bzw. langjährigen Zuchthausstrafen und/oder auch Inhaftierungen in Konzentrationslagern wegen meist geringfügiger Delikte bekannt. So wurde z. B. Leo Wilczynski nach Unterschlagungsdelikten und einem Handtaschenraub durch das Sondergericht Hannover als sog. Volksschädling wegen seiner „besonders großen verbrecherischen Gesinnung“, wie es im Urteil hieß, zweimal zum Tode verurteilt und im Strafgefängnis Wolfenbüttel hingerichtet.  Die Unverhältnismäßigkeit von Strafe und Tat sowie die Vorenthaltung elementarer Grundrechte des Strafverfahrens, die eine exzessive Auslegung der ohnehin menschenrechtswidrigen NS-Gesetze ermöglichten, verdeutlichen, dass die Sondergerichte als Teil des nationalsozialistischen Unrechtsstaates anzusehen sind. Erst 1998 wurden diese Urteile der Sondergerichte durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufgehoben. Dieses Gesetz schloss mit seinen Änderungen 2002 endlich auch die Aufhebung der Urteile gegen Deserteure der Wehrmacht, Homosexuelle und im Jahre 2009 sogenannte Kriegsverräter mit ein.
Gustav Meierjohann wurden Diebstähle von verschmutzten und auf dem Boden liegenden Tabakblättern, Bonbons und Zucker bei der Reichsbahn angelastet, wobei er laut Anklageschrift die Situation mit zahlreichen Hilfsarbeitern und ausländischen Zwangsarbeitern und die daraus folgende mangelnde Beaufsichtigung der Beschäftigten ausgenutzt habe. Er wurde als sog. Volksschädling "wegen der besonderen Verwerflichkeit seiner Tat" wegen "fortgesetzten einfachen Diebstahls unter Ausnutzung der durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse" durch das Landgericht Detmold zu vier Jahren Zuchthaus und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf vier Jahre verurteilt. Gustav Meierjohann wurde zu schwerster Zwangsarbeit in einem Rüstungsunternehmen in Hildesheim eingesetzt, die er nicht überlebte. Er starb am 27. Januar 1945.
Auf der neuen Gedenktafel findet sich nun auch der Name eines Deserteurs und im Gedenkbuch können wenige Spuren seines Lebens nachgezeichnet werden. Durch den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurde ich auf Hans Güse aus Detmold aufmerksam gemacht. Er war einfacher Soldat, ein Kanonier und versuchte 1944 zu desertieren. Er hatte ausgerechnet auf dem Bahnhof in Scharzfeld im Harz, der voll von Uniformierten und Soldaten war, versucht, zu fliehen und wurde als Fahnenflüchtiger erschossen. Hans Güse wurde zwanzig Jahre alt. Sein Grab findet sich am Rande des Friedhofs in Scharzfeld und damit fern seiner Heimatstadt und seiner Familie, neben Gräbern von russischen Kriegsgefangenen. Neben denen also, die auch nicht dazu gehörten. Es ist nicht mehr zu ermitteln, wer überhaupt für seinen Grabstein sorgte. Auf einer Gedenktafel des Volksbundes wird nun auch an Hans Güse erinnert und es wird mittels QR-Code auf seinen Eintrag im Detmolder Gedenkbuch verwiesen.


Zu den Schwächsten und Wehrlosesten einer Gesellschaft gehören Kranke und „Menschen mit Einschränkungen“. Das Ringen um die korrekte Begrifflichkeit dokumentiert einmal mehr den hochkomplexen und schwierigen Umgang mit Menschen, die unserer Unterstützung bedürfen. Während des NS-Regimes galten geistig, körperlich und psychisch Kranke als "Ballastexistenzen" und als Bedrohung für den "gesunden Volkskörper" und sollten aus der "Volksgemeinschaft" durch das „Euthanasie“ genannte Ermordungsprogramm im Sinne einer Utopie der idealen Menschenzüchtung entfernt werden. Ihr einziger Wert bestand noch darin, ob sie irgendwie zu Arbeiten eingesetzt werden konnten. War dies nicht oder nicht mehr der Fall, erlosch ihre letzte Daseinsberechtigung. Als maßgeblich galt zudem, welche Kosten sie verursachten und wie man diese minimieren konnte oder am besten ganz los wurde. Die Forschung geht davon aus, dass etwa 400.000 Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, Kranke, Autisten und Kinder, die als "Idioten" eingestuft und herabgewürdigt wurden, bis 1939 zwangssterilisiert wurden. Ab 1939 und inoffiziell bis zum Kriegsende wurden etwa 200.000 Menschen durch Vergasung, Giftinjektionen, Vernachlässigung, Unterlassung oder Unterernährung getötet.
Menschen mit psychischen, geistigen und/ oder körperlichen Erkrankungen wurden hier aus der Region in Einrichtungen wie den von Bodelschwinghschen Anstalten-Bethel, der Heil- und Pflegeinrichtung Eben-Ezer oder der Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus untergebracht und allenfalls "verwahrt", bevor sie im Zuge der sogenannten dezentralen Euthanasie in mehrere Anstalten verlegt und wieder noch in andere eingewiesen wurden, um ihre Spuren zu verwischen. Am Ende dieser Odyssee standen Tötungsanstalten wie z. B. Hadamar. Durch eine vorsätzlich unsachgemäße medizinische Unterversorgung, gezielte Mangelernährung und Vernachlässigung wurden sie einem langen Sterben ausgeliefert. Auch auf der Detmolder Gedenktafel und im Gedenkbuch wird an Menschen erinnert, die diesem Morden zum Opfer fielen.

Emil Bojahr gehörte zu jenen Erkrankten, die im Zuge der dezentralen „Euthanasie“ durch viele Heilanstalten wie das Lindenhaus, in Gütersloh und Dortmund-Aplerbeck geschickt wurden, damit seine Spuren verwischten und niemand – und er selbst schon gar nicht – mehr wusste, wo er war. Auf der Detmolder Meldekarte wurde noch vermerkt, er sei nach Amerika ausgewandert als er schon längst in Gütersloh eingewiesen worden war. Große zeitliche Lücken in seiner Krankenakte und eine mindestens fragwürdige Medikation dokumentieren seine Vernachlässigung und auch wie selten sich überhaupt jemand um ihn bemühte. Letztlich wurde Emil Bojahr nach Eglfing-Haar in Bayern verschleppt, sicherlich wussten er und andere Kranke nicht, wo sie waren. Krank und geschwächt wurden die Menschen nach den Vorgaben des sog. Hungerkosterlasses vom 30. November 1942 mit völlig wertlosen Dingen, die man nicht einmal mehr entfernt Nahrung hätte nennen können, unterversorgt. Durch diesen Erlass konnten einem bestimmten Teil der Anstaltsbewohner die zum Überleben nötigen Lebensmittel entzogen werden – eine seit Jahren bestehende Praxis wurde nun nachträglich legitimiert. Zudem konnte der bewusste Nahrungsentzug als ärztlich verordnetes Tötungsmittel eingesetzt werden.  Emil Bojahr wurde in ein sog. Hungerhaus auf dem Anstaltsgelände gebracht, wo er durch gezielten Nahrungsentzug seinem sicheren Tod preisgegeben wurde.


Rolf Bracht, 1935 in Detmold geboren, war infolge einer Erkrankung gehbehindert, alsbald auf einen Rollstuhl angewiesen, und er war auch in seinen sprachlichen Fähigkeiten eingeschränkt. Seine Familie wurde durch die Gesetzgebung, die ab 1941 den Familien mit behinderten Kindern das Kindergeld strich und später auch gestattete, die Kinder den Familien gänzlich  zu entziehen, massiv unter Druck gesetzt. Letztlich gaben sie Rolf, der als „blasses, schwächliches“ aber „fröhliches“ Kind beschrieben wurde, in die Anstalt Eben-Ezer. Hier konnte Rolf Bracht anfangs noch den Schulunterricht besuchen. Der mangelnde und später ganz fehlende Kontakt zur Familie ließen das Kind verzweifeln. Der Mutter wurde nahegelegt, ihren Sohn – aus disziplinarischen Gründen – nicht mehr zu besuchen, bis seitens der Anstaltsleitung der Erfolg dieser Maßnahme vermeldet wurde, denn das Kind habe „in letzter Zeit kaum mehr geweint“. Dem Wunsch der Familie, ihren Sohn zurück nach Hause zu holen, wurde nicht stattgegeben. Es folgten fieberhafte Infektionen und Bluterbrechen, auf das man mit kalter Milch und Mondaminbrei reagierte. Eine Operation und weitere schwere Erkrankungen in den schlecht geheizten Räumlichkeiten und in jeder Hinsicht unterversorgt, versetzten das Kind in einen desolaten Zustand bis es das Bewusstsein verlor. Rolf Bracht starb 1943, etwa ein Jahr nach seiner Aufnahme in Eben-Ezer, im Alter von acht Jahren. 


„Jeder Name zählt“, so heißt es in den Arolsen Archives. Und dort fand ich auch Unterlagen der Familie Höveler aus Pivitsheide, auf deren verballhornte Namen ich bereits im Holocaust Memorial Museum in Washington gestoßen war und zunächst nicht zuordnen konnte. In Arolsen fand ich für Eduard und Wilhelm Höveler Dokumente aus zweien der Emslandlager, Sachsenhausen, aus Wewelsburg, Neuengamme, Buchenwald, Mittelbau-Dora und Mauthausen: Sieben Jahre der Entrechtung, weil sie Zeugen Jehovas waren. Und beide Brüder haben diese Jahre überlebt, und es bleibt unfassbar. Nach den bis dahin geltenden Aufnahmekriterien wurden sie – weil sie überlebt hatten – nicht ins Gedenkbuch und auf der Gedenktafel aufgenommen. Jeweils 70 Seiten Dokumente, die einen Teil dieser Lebensgeschichten abbilden können, blieben somit stumm, und an diese Menschen wurde nicht erinnert. Als „fanatische Anhänger der Internationalen Bibelforscher Vereinigung“ wurden Eduard und Wilhelm Höveler und deren Familien mit Beginn des NS-Regimes verfolgt. Sie verloren ihre Arbeit, bekamen keine Arbeitslosen-Unterstützung, gerieten in finanzielle Nöte und kamen wegen ihrer Zugehörigkeit zu den Bibelforschern zunächst, 1936, in Gefängnishaft. Aus erneuter Verhaftung im Dezember 1938 wurde Eduard Höveler nicht mehr nach Hause entlassen, sondern kam in zwei Strafgefangenenlager im Emsland bis er, wie auch sein Bruder Wilhelm, der zunächst in Buchenwald und Sachsenhausen in Haft war, in der SS-Baubrigade I zu schwerster Zwangsarbeit eingesetzt wurde. Diese Baubrigade war in der Folgezeit unterschiedlichen Konzentrationslagern zugeordnet, was jeweils in der radikalen Bürokratie der Nationalsozialisten durch Zu- und Abgänge und neuen Häftlingsnummern und der Auflistung der Effekten, der letzten Habseligkeiten dokumentiert wurde. Was sich hinter diesen schier endlosen Listen und Formularen und Formblättern und neuen Nummern verbirgt, ist Arbeitsterror, u.a. für alle sichtbar im öffentlichen Raum der bombardierten Großstädte oder auch auf der Kanalinsel Alderney, wo ausgehungerte und kranke Häftlinge den Atlantikwall zu einer uneinnehmbaren Festung machen sollten – was sich hinter all den Dokumenten verbirgt, ist Gewalt, Folter und Not. Bibelforscher wie Wilhelm und Eduard Höveler wurden aufgrund ihrer durch den Glauben motivierten Zuverlässigkeit, ihres Fleißes und ihrer Ablehnung von Fluchtversuchen vorrangig in Arbeitskommandos wie den SS-Baubrigaden eingesetzt. Sie galten als gut ausgebildete Handwerker und als arbeitsame und disziplinierte Arbeiter, die aus der Sicht der SS für die geplanten Bauprojekte besonders geeignet schienen. Bibelforscher nahmen insofern eine besondere Rolle im Lagersystem ein, als sie auch Ämter der Häftlingsverwaltung inne hatten. Sie bemühten sich trotz der Haftumstände mit den grausamen Sanktionen weiterhin darum, ihren Glaubensgrundsätzen treu zu bleiben. Gerade dadurch wurden sie zu Hassobjekten ihrer Bewacher, die sie mit allen Mitteln brechen wollten. Ihr starker Glaube befähigte viele trotz der extremen Lagerbedingungen mit Gewalt, Hunger und Entkräftung und grassierenden Krankheiten dazu, sich auch anderen Häftlingen gegenüber solidarisch zu zeigen. Sie hielten heimlich Bibelstunden ab und schmuggelten religiöse Schriften und Bibeln in die jeweiligen Lager. Die von den Machthabern den Bibelforschern angebotene Möglichkeit ihrer Religionszugehörigkeit abzuschwören und freizukommen, lehnten die Brüder Höveler - wie viele andere Zeugen Jehovas auch - offenbar ab. Ihre Familien wurden derweil staatlich überwacht. Eduard Höveler hatte fünf Kinder, Wilhelm Höveler hatte mit seiner Frau Emma zwei Töchter. Ihre nunmehr alleinerziehenden Frauen sollten dazu gezwungen werden, ihre Kinder den Idealen des Nationalsozialismus gemäß zu erziehen. Emma Höveler weigerte sich. Sie würde eher "zusammen [mit ihnen] auf der Totenbahre liegen" als die Kinder im nationalsozialistischen Sinne zu erziehen. Emma Höveler wurde nach einer Denunziation nach Ravensbrück gebracht. Ihre beiden Töchter wurden ihr entzogen und in einer Erziehungsanstalt bzw. in einer Pflegefamilie zwangsweise untergebracht.
Als am 5. Mai 1945, also 3 Tage vor dem offiziellen Ende des Krieges, Mauthausen endlich durch die US-Armee befreit wurde, gehörten auch Eduard und Wilhelm Höveler zu den Geretteten. Sie beide und auch Emma Höveler kehrten zurück nach Pivitsheide. In einem Gerichtsverfahren, in dem geklärt werden sollte, wer die Denunziation zu verantworten hatte, trat Emma Höveler nicht als Zeugin oder gar Nebenklägerin auf. Sie verweigerte eine Aussage, da sie ein weltliches Gericht nicht anerkannte.
Als die Aufnahmekriterien für das Gedenkbuch endlich geändert wurden, konnte Emma, Wilhelm und Eduard Höveler in diesem Rahmen gedacht werden. In Erinnerung halten sollten wir auch die beiden Töchter, die ihrer Familie entrissen wurden.
Die Zeugen Jehovas, die Bibelforscher gehören ebenfalls zu den „vergessenen Verfolgten“. Ihre Geschichte während des Terrorregimes ist kaum im kollektiven Gedächtnis verortet. Ressentiments und Unverständnis mögen der Anerkennung im Wege stehen. Die Zeugen Jehovas fordern wohl als letzte Verfolgtengruppe ein Mahnmal, das an ihren defensiven Widerstand erinnert und die Opfer würdigt. Die Errichtung eines Mahnmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Zeugen Jehovas und auch die wissenschaftliche Erforschung der Verfolgungsgeschichte zur öffentlichen Anerkennung des Unrechts wurden am 9. Mai 2023 durch die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP beim Deutschen Bundestag beantragt. Eine Umsetzung erfolgte bislang nicht.

Jedes Leben, jede Lebenswelt, an die durch die Gedenktafel erinnert wird, wäre es wert, hier ausführlich erörtert zu werden. Anton Braun wäre es wert, hier erwähnt zu werden, dessen Leben in Auschwitz endete, weil er Zigeuner war. Die Eckdaten dieses Lebens waren sein Geburtseintrag, geboren als nichtehelicher Sohn einer Artistin und eines Schaustellers, und Eintragungen im Krankenbau von Auschwitz, die ihn als „nicht arbeitsfähig“ auswiesen und sein sicheres Todesurteil waren. Anton Braun wurde acht Jahre alt.
Die dokumentierten und hier skizzierten Lebenswege von Verfolgten können nun, und auch das ist neu, direkt vor Ort im Detmolder Gedenkbuch nachvollzogen werden. Denn der hier angebrachte QR-Code leitet direkt zum Gedenkbuch und macht eine Auseinandersetzung, ein Nachlesen möglich.

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Selbstverständlichkeiten schwinden und der gemeinsame Referenzrahmen brüchig wird. Auch meine Arbeit gestaltet sich immer mehr als Schaffung von Wissensgrundlagen. Auschwitz ist nicht mehr für alle ein Begriff, wie eine Studie dieses Jahres belegt. Und Erinnerungskultur ist nicht für alle ein hohes Gut, auf das zu verzichten wir uns nicht leisten können. Umso dankbarer bin ich für die Unterstützung der Stadt Detmold, die die Erneuerung der Gedenktafel ermöglicht hat. Mein Dank gilt insbesondere der Kämmerin Frau Mikus und der Stadtarchivarin Bärbel Sunderbrink. Für die grafische Umsetzung danke ich Ruth Stechemesser. Ihnen allen danke ich für die Wertschätzung dieser Arbeit, für inhaltliche und konzeptionelle Begleitung und – wie immer – für viel Geduld, die es braucht, nicht nur bis solch eine Gedenktafel tatsächlich fertig ist, sondern bis perfektionistische Ansprüche zumindest in Schach gehalten werden. Ohne die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ist meine Arbeit nicht denkbar. Auch Ihnen und Euch gilt mein Dank.

Sicherlich werden noch weitere Biogramme folgen und auch weitere Namen auf der Gedenktafel zu lesen sein. So sind u. a. die Lebenswege von verfolgten Homosexuellen und auch von Zwangsarbeitern noch zu erforschen. Eine Kiste mit noch nicht ausgewerteten Dokumenten in meinem Büro spricht eine deutliche Sprache. 

Die Namen auf der Detmolder Gedenktafel sind ein deutliches Zeichen und sie bieten uns Möglichkeiten an, Chancen der Auseinandersetzung mit Verfolgten dieser Stadt und letztlich auch mit uns selbst. Es bietet sich eine empathische Auseinandersetzung mit Verfolgtenbiografien und mit dem, was dann oft Schicksal heißt. Aber wer schickt? Ein fataler, schwieriger Begriff, wie ich meine, in dem auch unsere Verantwortung und gesellschaftspolitische, persönliche Wirkmächtigkeiten außer Acht gelassen werden. Solch eine Haltung verbietet sich, insbesondere in Zeiten, in denen Antisemitismus, Rassismus und Angst und Unkenntnis dramatisch zunehmen, in denen der nur vermeintlich gemeinsame Boden verlassen wird und in denen Werte des Menschseins verraten werden.
Und auch wenn wir an dieser Gedenktafel hier in Detmold vor Menschen stehen, die längst tot sind und auch wenn 80 Jahre, in etwa ein Menschenleben, zwischen der Befreiung von Auschwitz und unserer Gegenwart liegen, und auch wenn wir von aktuellen Ereignissen überrollt werden und die Strukturen der Vergangenheit uns aber einzuholen drohen – hier eröffnet sich, so meine ich, noch etwas anderes. Denn viel zu oft stellen auch wir die schon vor Jahrzehnten von den Mitscherlichs attestierte Unfähigkeit zu trauern unter Beweis, potenziert durch Gleichgültigkeit .
An der Detmolder Gedenktafel bietet sich etwas an, es anders zu machen, den Spuren nachzugehen, sich dem Verlust zu stellen und sich – zumindest für eine Zeitlang –  diesen Menschen zu widmen.

Zentrale Gedenkfeier am 27. Januar

„Anders als die Andern (?) Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.“

 

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. In ganz Deutschland erinnern Menschen an die Opfer der NS-Diktatur sowie an jene, die Widerstand leisteten und NS-Verfolgte schützten. Die zentrale Gedenkveranstaltung der Stadt Detmold am Montag, 27. Januar, um 19.30 Uhr in der Aula des Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasiums, steht unter dem Titel „Anders als die Andern (?) Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen.“

Zu Beginn der Veranstaltung interviewen Schülerinnen und Schüler des Grabbe-Gymnasiums Bürgermeister Frank Hilker zur Bedeutung des Gedenkens zum 27. Januar. Die sich anschließende szenische Lesung und eine von Schülerinnen und Schülern erarbeitete Ausstellung erinnern an Ausgrenzung und Verfolgung vergessener Opfer der NS-Diktatur. Exemplarisch werden Biografien von Menschen präsentiert, die aufgrund ihrer politischen Haltung oder Weltanschauung, ihrer sexuellen Orientierung, abweichender Lebensformen oder körperlicher Gestalt, Krankheit oder Behinderung entrechtet, gequält und ermordet wurden. Schülerinnen und Schüler des Grabbe-Gymnasiums verlesen Texte von Hermann Rombach, Eva Siewert, Irma Fechenbach und Irmgard Heiss. In einem Podiumsgespräch reflektieren die Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Barbara Stellbrink-Kesy (Großnichte von Irmgard Heiss) und Kathie Wiederkehr (Enkelin von Irma Fechenbach) über unterschiedliche Formen des Erinnerns und Gedenkens.

„Unsere Schülerinnen und Schüler haben sich seit Oktober sehr intensiv mit den Biografien der Opfer auseinandergesetzt“, berichtet Kristina Panchyrz. Sie ist Geschichtslehrerin am Grabbe-Gymnasium und verantwortlich für das Programm der Zentralen Gedenkveranstaltung. „Wir möchten mit unserem Beitrag einen Denkanstoß geben und verstehen die Ausstellung, die ab März auf Wanderschaft gehen soll, als einen Startpunkt, der an anderer Stelle weitergeführt werden soll“, so Kristina Panchyrz.

Eine ganze Reihe von Veranstaltungen thematisiert in den Tagen um den 27. Januar die Verbrechen der Nationalsozialisten und erinnert an deren Opfer. Viele Akteure wie die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, das Landestheater, die Bürgerstiftung Detmold, die Johannes-Brahms-Musikschule, die Ev. ref. Kirchengemeinde Detmold-West, die VHS und die Stadtbibliothek haben ein Rahmenprogramm mit insgesamt 13 Konzerten, Theaterstücken, Vorträgen und Lesungen erarbeitet, um dem Publikum einen vielseitigen Zugang zum Thema zu ermöglichen.

„Der 27. Januar ist ein Mahnmal gegen das Vergessen und ein Appell an uns alle, wachsam zu bleiben. In einer Zeit, in der rechtsextreme Kräfte in vielen Ländern, auch in Deutschland, wieder an Stärke gewinnen, müssen wir umso entschlossener für die Werte der Demokratie, der Toleranz und des Respekts eintreten“, sagt Detmolds Bürgermeister Frank Hilker. „Der Antisemitismus und die Hetze, die sich heute zunehmend ausbreiten, sind ein Angriff auf die Grundlagen unserer Gesellschaft. Wir müssen gemeinsam dafür sorgen, dass solche dunklen Kapitel der Geschichte sich niemals wiederholen – indem wir uns klar und entschlossen gegen Hass und Intoleranz stellen“, so Hilker.

Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen

27. Januar 2025 - Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

 

RAHMENPROGRAMM

Donnerstag, 23. Januar, 18.30 Uhr, Christuskirche, Bismarckstraße 15

„Gott sah, dass es schlecht war“ – Lesung und Musik mit Heiner Junghans

Der Schauspieler Heiner Junghans liest aus dem Kinderbuch, das Otto Weiß im Ghetto Theresienstadt für seine Tochter geschrieben hat.

Veranstaltung der Ev. ref. Kirchengemeinde Detmold-West

 

Sonntag, 26. Januar, 11.30 Uhr, Landestheater Detmold

Liedmatinee mit Megan Marie Hart. Berühmte Komponisten jüdischer Herkunft

Die US-amerikanische Sopranistin Megan Marie Hart beschäftigt sich schon seit langer Zeit mit jüdischen Komponist*innen. Mit dieser Liedmatinee möchte sie, begleitet von Mathias Mönius am Klavier, die „Jüdische Seele“ feiern und mit dem Publikum gemeinsam jüdische Musik entdecken, die ein selbstverständlicher Teil unserer Kultur ist.

Veranstaltung des Landestheaters Detmold

 

Sonntag, 26. Januar, 18 Uhr, Martin-Luther-Kirche, Schülerstraße 12

Wandelkonzert zum Gedenken der Befreiung von der NS-Herrschaft

Musikalische Meditation mit Dr. Jean Goldenbaum, brasilianischer Komponist und Musiker, mit anschließender klingender Wanderung vorbei an der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus, den beiden Hofsynagogen und der Bonifatiuskapelle. Schüler*innen erinnern an Felix Fechenbach.

Abschließend in der Heilig Kreuz-Kirche Werke von Arvo Pärt und Siegfried Würzburger mit der Chorgemeinschaft cantus novus und Prof. Dr. Friedhelm Flamme an der Orgel.

Veranstaltung der Chorgemeinschaft cantus novus mit der Johannes-Brahms-Musikschule und dem Büro der Musikfreunde e.V.

 

Montag, 27. Januar, 19.30 Uhr, Christian-Dietrich-Grabbe-Gymnasium, Küster-Meyer-Platz 2

Zentrale Gedenkveranstaltung „Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen“

Eine szenische Lesung und eine von Schüler*innen erarbeitete Ausstellung erinnern an Ausgrenzung und Verfolgung von vergessenen Opfern der NS-Diktatur. Exemplarisch werden Biographien von Menschen präsentiert, die aufgrund ihrer politischen Haltung oder Weltanschauung, ihrer sexuellen Orientierung, abweichender Lebensformen oder körperlicher Gestalt, Krankheit oder Behinderung entrechtet, gequält und ermordet wurden. Schüler*innen verlesen Texte von Hermann Rombach,

Eva Siewert, Irma Fechenbach und Irmgard Heiss. In einem Podiumsgespräch reflektieren Schüler*innen gemeinsam mit Barbara Stellbrink-Kesy (Großnichte von Irmgard Heiss) und Kathie Wiederkehr (Enkelin von Irma Fechenbach) über unterschiedliche Formen des Erinnerns und Gedenkens.

 

Dienstag, 28. Januar, 19 Uhr, Gymnasium Leopoldinum, Neue Aula

„Weglaufen werde ich nie. Der Kampf des Felix Fechenbach“ – Theaterstück

Als Hommage an den Politiker, Publizisten und auch Puppenspieler zeichnet die Inszenierung der Berliner Company 4 seine Lebensgeschichte als eine Verbindung aus Schauspiel und Figurentheater nach. Der Journalist und Publizist Felix Fechenbach wurde im August 1933 eines der ersten Opfer der Nationalsozialisten. Er begann schon früh, für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen und war 1918 Mitinitiator der Revolution in München. In der Weimarer Republik wird er ein namhafter Journalist, arbeitet gleichzeitig aber auch als Puppenspieler für die Interessen von Kindern und Jugendlichen. Mit seinem unerschrockenen Auftreten gegen den Wahlkampf Hitlers in Lippe macht er sich zu einem Hauptfeind der Nationalsozialisten.

Ensemble: Gerda Pethke, Konrad Schreier und Jan Uplegger; Regie: Kai Schubert. Im Anschluss findet ein Podiumsgespräch mit Kathie Wiederkehr (Enkelin von Felix Fechenbach), Dr. Bärbel Sunderbrink

(Stadtarchiv Detmold), Prof. Peter Steinbach (Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin) und Schüler*innen statt. Moderation: Dr. Oliver Arnhold, Dr. Tristan Weigang

Veranstaltung des Gymnasiums Leopoldinum in Kooperation mit der Detmolder Bürgerstiftung

 

Mittwoch, 29. Januar, 10 Uhr, Junges Theater, Bahnhofstraße 1

Anne Frank 14+. Nach dem Tagebuch der Anne Frank

Das Tagebuch war für Anne Frank Ersatz für eine Freundin und Gesprächspartnerin. In dem engen Versteck vor den Nationalsozialisten war es ein Ventil für ihre Sorgen und Ängste. In ihm spiegeln sich die politischen Geschehnisse sowie die Entwicklung eines Mädchens zur jungen Frau. Weitere Termine des Stücks nach der Inszenierung von Konstanze Kappenstein unter www.landestheater-detmold.de.

Veranstaltung des Landestheaters Detmold

 

Mittwoch, 29. Januar, 19.30 Uhr, Haus Münsterberg

„Unerhörte Geschichte – Frei – aber verpönt“ – Lesung von Barbara Stellbrink-Kesy

Zum Gedenken an Irmgard Heiss wurde 2011 der erste Stolperstein in Detmold verlegt. Sie starb 1944 als Opfer der NS-„Euthanasie“. Lange wurde ihr Schicksal in der Familie verschwiegen. Ihr Bruder Karl Friedrich Stellbrink wurde als Gegner des NS-Regimes 1943 hingerichtet. Barbara Stellbrink-Kesy hat sich auf die Suche nach Spuren der Lebensgeschichte ihrer Großtante begeben und die Ergebnisse nach einer akribischen Recherche in einem Buch zusammengefasst.

Veranstaltung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V.

 

Donnerstag, 30. Januar, 19 Uhr, Stadtbibliothek, Leopoldstraße 5

„Erzähl‘ es niemandem!“ – Lesung mit Randi Crott

Erst mit 18 Jahren erfährt die Autorin, dass sich ihre norwegische Mutter 1942 in einen deutschen Besatzungssoldaten verliebt hatte, der selber in der Angst lebte, als "Halbjude" enttarnt und wie andere Mitglieder seiner Familie ins Konzentrationslager deportiert zu werden. Nach dem Tod ihres Vaters, der nie über die Vergangenheit sprechen wollte, begann Randi Crott gemeinsam mit ihrer Mutter die Geschichte ihrer Familie zu erforschen und niederzuschreiben.

Veranstaltung der Stadtbibliothek

 

Freitag, 31. Januar, 18.30 Uhr, Christuskirche, Bismarckstr. 16

„Schlachter-Tango“ – Ein-Mann-Stück aus dem Theaterlabor Bielefeld

Michael Grunert spielt das Leben von Ludwig Meyer aus Bielefeld. Der Sohn eines jüdischen Schlachters wurde 1936 wegen seiner Homosexualität von der Gestapo verhaftet und verbrachte fast sieben Jahre in den Lagern Buchenwald, Auschwitz und Mauthausen. Nach dem Krieg musste er um die Anerkennung als jüdischer Verfolgter kämpfen. In den 1950er Jahren gelang es ihm, noch vor der Aufhebung des Paragraphen 175 und am Rande der Legalität, das erste Schwulenlokal in Hannover zu eröffnen.

Veranstaltung der Ev. ref. Kirchengemeinde Detmold-West

 

Sonntag, 2. Februar, 14 Uhr, Treffpunkt Marktplatz

„Das Dritte reicht!“ Stadtgang zur NS-Geschichte von und mit Daniel Wahren

jüdische Hutverkäuferin Paula Paradies und den Detmolder SS-Massenmörder Jürgen Stroop vor, erzählt von der Lippischen Landtagswahl am 15. Januar 1933 und schlägt den Bogen zum letzten NS-Prozess 2016 gegen den Auschwitz-Wachmann Reinhold Hanning.

Begrenzte Teilnehmendenzahl: anmeldung-fodt@gmx.de bis 29.01.25

Veranstaltung des Forums offenes Detmold

 

Montag, 10. Februar, 19. 30 Uhr, Landesarchiv NRW, Abt. Ostwestfalen-Lippe, Willi-Hofmann-Straße 2

„Anders als die Andern – Stigmatisiert. Verfolgt. Vergessen“ – Ausstellungseröffnung des Zusatzkurses Geschichte der Q2 des Grabbe-Gymnasiums mit einer szenischen Lesung

Die für die Zentrale Gedenkveranstaltung vorbereitete Ausstellung wird vom 10. Februar bis zum 14. März im Landesarchiv NRW, Abteilung Ostwestfalen-Lippe gezeigt. Zur Erö­ffnung präsentieren die Schüler*innen ihre Lesung mit Texten von Hermann Rombach, Eva Siewert, Irma Fechenbach und Irmgard Heiss.

Veranstaltung des Grabbe-Gymnasiums und des Landesarchivs NRW, Abt. OWL

 

Donnerstag, 13. Februar, 19.30 Uhr, Haus Münsterberg, Hornsche Straße 38

Detmolder Verfolgte des NS-Regimes. Zur aktualisierten Fassung der Gedenktafel für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft – Vortrag von Gudrun Mitschke-Buchholz

Seit der ersten Fassung der Gedenktafel aus dem Jahr 1995 konnten mehr als siebzig weitere Namen und Lebenswege von Menschen dokumentiert werden, die der radikalen Vernichtungspolitik des NS-Staates zum Opfer fielen. In diesem Jahr konnte die Tafel nunmehr zum dritten Mal erneuert werden. So wird auch dieser Verfolgten im öffentlichen Raum gedacht. Doch wer waren diese Menschen? Welche Lebenslinien lassen sich nachzeichnen?

Veranstaltung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V.

 

Freitag, 28. Februar, 19.30 Uhr, Stadthalle, Kleiner Festsaal

„Marseille 1940 – Die große Flucht der Literatur“ – Lesung mit Uwe Wittstock

Szenisch dicht und feinfühlig beschreibt der Autor die Situation deutschsprachiger Literat*innen im Jahr 1940, als die deutsche Wehrmacht Frankreich besiegt hatte. In Marseille kreuzten sich die Wege zahlreicher deutscher und österreichischer Schriftsteller, Intellektueller und Künstler. Hier riskierten Varian Fry und seine Mitstreiter Leib und Leben, um die Verfolgten außer Landes zu bringen.

Veranstaltung der Buchhandlung Kafka, VHS Detmold-Lemgo und Stadtarchiv Detmold

 

 

Zu den Veranstaltungen sind alle Interessierten – Jugendliche, junge Erwachsene, Bürger:innen und Besucher:innen – eingeladen. Informationen unter www.detmold.de

 

 

 

Die neue Rosenland-Ausgabe ist erschienen!

Und das bietet die Nummer 30 vom November 2024:

Joachim Kleinmanns behandelt mit St. Bonifatius in Detmold den Bau der ersten, 1852 geweihten katholischen Kirche in Detmold, damals ein Durchbruch im bis dahin streng evangelischen, also calvinistischen und lutherischen (Lemgo) Fürstentum Lippe.

Jürgen Hartmann geht dem Gefallenengedenken in Oerlinghausen nach dem Ersten Weltkrieg nach, mit allen Verwerfungen und Auseinandersetzungen, mit umstrittenen, veränderten, ausgeführten und wieder veränderten Denkmalsplänen bis hin zur heutigen Diskussion um das Regimentsdenkmal auf dem Tönsberg.

Ein weiterer Akzent dieser Ausgabe liegt auf der Stadt Horn. Andreas Ruppert erläutert das Schicksal eines Regimentsdenkmals. Außerdem erinnert er an die Familie Blank, die, Mitte des 19. Jahrhunderts aus dem Hannoverschen zugewandert, in Horn hohes Ansehen erlangte, bevor ihre Angehörigen durch den rechtsextremen Terror vertrieben und ermordet worden.

Dazu zahlreiche Rezensionen.

Die Ausgabe 30/2024 steht zum Download bereit unter www.rosenland-lippe.de

 

  

Stadtgeschichtliches Projekt zur Stadtsanierung in Detmold

Vom Gigantismus zur historischen Innenstadt

Montag, 10. März 2025, 18 Uhr, VHS

Dr. Andreas Ruppert: Autonome Jugendliche gegen den Staat – die Besetzung der

Fabrik Klingenberg im November 1980; Vortrag

Um die leerstehende Fabrik Klingenberg entbrannte 1980 ein Streit, der Grundsatzcharakter annahm. Landesregierung und Stadt wollten unter Missachtung des Denkmalschutzes einen Abriss zugunsten der Bezirksregierung. Detmolder Jugendliche sahen in den Gebäuden dagegen einen Ort für ein Jugendzentrum. Der Abriss wurde durchgesetzt. Neu bebaut wurde das Gelände nicht.

 

Freitag, 4. April 2025, 15 Uhr, Treffpunkt Marktplatz

Dr. Bärbel Sunderbrink: Spuren 1945 – das Kriegsende in Detmold; Führung

Als die Amerikaner im April 1945 in Detmold einmarschierten, kamen sie in eine Stadt, die vom Luftkrieg weitgehend verschont geblieben war. Wenn auch weniger präsent als in anderen Städten, hatte der Krieg dennoch Spuren hinterlassen. Der Rundgang erinnert an das Ende der NS-Herrschaft und die Befreiung durch die Alliierten. Mit der Stadtarchivarin besuchen Sie Orte, die in den Tagen des Umsturzes von besonderer Bedeutung waren, Sie erfahren etwas über den Umgang der Alliierten mit der Bevölkerung, über Relikte der NS-Vergangenheit und die Frage, was mit den wenigen zerbombten Gebäuden geschah.

 

Dienstag, 29. April 2025, 18 Uhr, VHS

Helmut Trost: Ein Quantum Trost? Wie Detmolds Bürgeranwalt die Großbaustelle Paulinenstraße begleitete; Vortrag und Diskussion

Als Detmold im Jahr 1988 einen Bürgeranwalt einstellte, schlug dieses Modell bundesweit hohe Wellen. Die Bild-Zeitung titelte „Stadt bezahlt ihren eigenen Kritiker“ und der örtliche Tiefbauamtsleiter erklärte den Bürgeranwalt schlichtweg für „überflüssig“. Mit dem umfassenden Umbau der Paulinenstraße sollte die zentrale Detmolder Verkehrsachse fit gemacht werden für die Zukunft. Ärger und nicht lösbare Interessenkonflikte waren bei der mehrjährigen Baustelle vorprogrammiert. Der Bürgeranwalt kümmerte sich um die Sorgen und Nöte der Geschäfte und Bewohner*innen rund um die Paulinenstraße und moderierte mit kreativen Ideen den Baustellenprozess – dabei legendär die „Trostbrücke“ über den Wallgraben. Helmut Trost wird mit historischen Filmausschnitten und anhand von Originaldokumenten das Modell Bürgeranwalt vorstellen und bewerten, ob es ein tragfähiges Konzept zur Interessenvertretung oder eine Alibiveranstaltung war.

 

Freitag, 16. Mai 2025, 14 Uhr, Treffpunkt Detmolder Sommertheater

Fritz Brakemeier, Dr. Bärbel Sunderbrink: Gigantische Verkehrsplanung und kreativer Protest. Wanderung auf der Trasse der Südumgehung

Die Planungen für die Detmolder Südumgehung erhitzte in den 1980er Jahren die Gemüter in Politik und Stadtgesellschaft. Mit kreativem Protest wurde auf vielfältige Weise dagegen vorgegangen. Auf der Wanderung auf Teilstücken der vorgesehenen Trasse wird deutlich, welche Auswirkungen eine Realisierung gehabt hätte. Die Wanderung dauert rund zwei Stunden und führt vorbei an der Jugendherberge und dem Wartturm auf dem Vietberg und endet am Arnims Park. Zurück geht es individuell mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Veranstaltung findet bei Wetterwarnungen nicht statt. Teilnehmerzahl ist begrenzt. Anmeldung über die VHS oder stadtarchivdetmold.LOESCHE_DIES.de.

 

Dienstag, 17. Juni 2025, 17 Uhr, Treffpunkt Marktplatz

Clemens Heuger: Die Fassaden Detmolder Bürgerhäuser. Vom Umgang mit den Verunstaltungen der Nachkriegszeit; Stadtführung

In der Nachkriegszeit waren viele Gebäude der Innenstadt durch große Schaufenster verunstaltet worden. Mit einem neuen Denkmalschutzgesetz gab es in den 1980er Jahren ein Umdenken. Clemens Heuger stellt ausgewählte Bürgerhäuser vor, bei denen es dem ehemaligen Denkmalpfleger der Stadt Detmold gelungen ist, eine qualitätvolle Neugestaltung zu bewirken.

 

  

LippeHäuserWiki

Das LippeHäuserWiki bietet viele Informationen über Detmolder Gebäude, Grundstücke und Denkmäler.

Das LippeHäuserWiki ist ein digitales historisches Häuserbuch. Es soll die Haus- und Hofstätten im heutigen Kreis Lippe, die bis zum Jahr 1900 entstanden sind, mit Informationen zur jeweiligen Siedlungs- und Baugeschichte sowie zur Besitzerfolge dokumentieren. Auch Bauwerke wie Kirchen, Burgen und Schlösser werden berücksichtigt. Außerdem finden sich Informationen zu Ortsgeschichten und Straßennamen.

Das LippeHäuserWiki ist ein Mitmachprojekt für Geschichtsinteressierte, die sich heimatkundlich, baugeschichtlich oder genealogisch für Lippe interessieren und gerne unter fachlicher Begleitung aktiv an der Forschung teilnehmen möchten. Es wird vom Naturwissenschaftlicher und Historischer Verein für das Land Lippe getragen und von der Elbrächter-Stiftung und vom Lippischen Heimatbund gefördert.

Das Stadtarchiv Detmold ist einer der Projektpartner des LippeHäuserWiki. Auf der Grundlage des Häuserbuchs der Archivarin Ingeborg Kittel kann die Besitzerfolge nahezu aller Grundstücke in der Kernstadt Detmold nachvollzogen werden. Ihre Arbeit bildet den Grundstock für die Erforschung der Hausgeschichten durch Ehrenamtliche und MitarbeiterInnen des Stadtarchivs.

 

Zum LippeHäuserWiki

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Gemeinsames Erinnern und Gedenken zum 9. November

Jugendliche gestalten zentrale Gedenkfeier mit – anschließender Empfang mit jiddischen Liedern und chassidischen Geschichten im Detmolder Rathaus

Die Stadt Detmold und die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V. laden gemeinsam mit der Evangelischen und Katholischen Jugend Lippe herzlich zur zentralen Gedenkveranstaltung anlässlich des 9. November 1938 ein, bei der die schlimmen Geschehnisse der Reichspogromnacht in Erinnerung gerufen werden. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde die Neue Synagoge an der Lortzingstraße in Brand gesteckt, jüdische Mitbürger wurden verhaftet und jüdischer Besitz zerstört. Diesem dunklen Tag in der Geschichte unserer Stadt wird am Samstag, 9. November 2024, um 17.30 Uhr am Platz der zerstörten Synagoge an der Lortzingstraße und an der Gedenkstätte Exterstraße gedacht.

Bürgermeister Frank Hilker eröffnet die Gedenkfeier, und Kathie Wiederkehr, Enkelin des NS-Opfers Felix Fechenbach, teilt ihre Gedanken zum 9. November.

Wir gedenken gemeinsam der jüdischen Opfer aus Detmold und legen Kränze nieder.

Mitglieder der Ökumenischen Jugend bereiten für die zentrale Gedenkfeier einen interreligiösen Impuls vor. Im Anschluss führt ein stiller Gang zur Gedenkstätte an der Exterstraße, zum Gedenken an jüdische Verfolgte aus Detmold.

Im Anschluss sind alle Teilnehmenden ins Detmolder Rathaus eingeladen. Unter dem Titel „Mojschele majn frajnd“ interpretiert Martin Bolliger dort jiddische Lieder und chassidische Geschichten.

 

Neben der zentralen Gedenkfeier möchten wir Sie auf weitere Veranstaltungen im Rahmen der Gedenkwoche hinweisen:

 

Di 5.11.2024, 19.30 Uhr, Haus Münsterberg, Hornsche Straße 38, Detmold

„Damals hieß ich Rita – Die Geschichte von Rozette Kats“.

Lesung und Vortrag von der Illustratorin Francis Kaiser

Francis Kaiser erzählt von der Entstehung des Buches und ihrer Arbeit mit der niederländischen Holocaust-Überlebenden Rozette Kats. Sie stellt sich der Frage, was ein Kinderbuch über den Holocaust zeigen darf und muss und welche Lösungen sie gemeinsam mit dem Texter Lutz van Dijk und der Lektorin Karin Gruß gefunden hat.

Bis zum 9.11.2024 sind die Illustrationen im Buchsalon am Schlossplatz zu sehen. Der Eintritt ist frei.

Veranstalter: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V.

 

Di 12.11.2024, 19.30 Uhr, Haus Münsterberg, Hornsche Str. 38, Detmold

Die Familie Hammerschlag aus Lage.

Vortrag von Pfarrer i.R. Martin Hankemeier

Der Vortrag widmet sich dem Leben der Familie Hammerschlag in Lage, ihrer Ausgrenzung, Vertreibung und Flucht, aber auch den Jahrzehnten nach 1945 und dem schwierigen Weg der Erinnerung. Der Eintritt ist frei.

Veranstalter: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe e.V.

 

Mo 18.11.2024 und Di 19.11.2024, 19.30 Uhr, LWL-Freilichtmuseum Detmold

Dorfgeschichten – Lesung mit Walter Sittler aus dem Roman „titos brille“ von Adriana Altaras

Die Schauspielerin und Regisseurin Adriana Altaras führt ein ganz normales, chaotisches und unorthodoxes Leben in Berlin: Mit zwei fußballbegeisterten Söhnen und einem westfälischen Ehemann, der ihre jüdischen Neurosen stoisch erträgt – bis ihre Eltern sterben und sie eine Wohnung erbt, in der sie bewegende Briefe und Fotos entdeckt. Altaras erzählt mit viel Wärme und Witz von ungleichen Schwestern, von einem Vater, der immer ein Held sein wollte, und von einer Mutter voller Energie und Einsamkeit. Aus der turbulenten Familiengeschichte liest der Schauspieler Walter Sittler.

Veranstalter: Literaturbüro OWL | Gesellschaft für Christlich-Jüdische

Zusammenarbeit in Lippe e.V. | LWL-Freilichtmuseum Detmold

Karten unter www.literaturbuero-owl.de

 

 

Elisabeth Steichele - Retterin der historischen Innenstadt

Gesprächsabend und Diskussion

Am Dienstag, 5. November 2024 findet ab 18 Uhr im Vortragssaal der VHS Detmold ein Gesprächsabend zur Würdigung der Architektin Elisabeth Steichele statt. Die langjährige stellvertretende Leiterin des städtischen Planungsamtes trat während ihrer Amtszeit immer wieder für die Anliegen der Bürgeraktion Stadtsanierung ein und gilt als Retterin der historischen Innenstadt. Gegen alle Widerstände innerhalb und außerhalb der Stadtverwaltung unterstützte sie stets den Erhalt der Detmolder Kernstadt. Auch war es dem Engagement von Elisabeth Steichele zu verdanken, dass Detmold im "Bundeswettbewerb Stadtgestaltung und Denkmalschutz" mit einer goldenen Plakette ausgezeichnet wurde. Die 2014 verstorbene Architektin hat Spuren in Detmold hinterlassen.

Im Rahmen des stadtgeschichtlichen Projektes "Vom Gigantismus zur historischern Innenstadt" in Detmold werden die Mitglieder der Arbeitsgruppe Thomas Enzensberger, Friedrich Brakemeier und Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink gemeinsam mit weiteren Weggefährten ihren Lebensweg nachzeichnen und das nachhaltige Wirken und Engagement von Elisabeth Steichele in den Mittelpunkt des Abends stellen. Eine Veranstaltung der VHS Detmold – Lemgo in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv Detmold. Die Veranstaltung ist kostenlos. Ansprechpartnerin für Rückfragen ist Dr. Bärbel Sunderbrink unter der Telefonnummer 05231 766-110 oder per Mail an stadtarchivdetmold.LOESCHE_DIES.de.

 

 

Koloniale Spuren in Westfalen-Lippe

 

Vortrag und Vorstellung einer digitalen Quellensammlung im Stadtarchiv Detmold

 

Am Montag, den 28. Oktober 2024, um 19.00 Uhr laden der Naturwissenschaftliche und Historische Verein für das Land Lippe, das Stadtarchiv Detmold und die VHS Detmold-Lemgo zu einer besonderen Veranstaltung ins Stadtarchiv Detmold, Willi-Hofmann-Str. 2, ein. Im Rahmen des Themenjahrs „POWR! Postkoloniales Westfalen-Lippe“ der LWL-Kulturstiftung präsentieren Barbara Schneider M.A. und Dr. Fabian Fechner (FernUniversität in Hagen) eine neue digitale Quellensammlung, die sich mit den kolonialen Spuren in der Region Westfalen-Lippe beschäftigt.

Unter dem Titel „100 Quellen – 100 Orte: Koloniale Spuren in Westfalen-Lippe“ wird derzeit eine Sammlung historischer Schriftquellen, Bilder und Objekte zusammengestellt, die einen Einblick in die vielfältigen Auswirkungen des Kolonialismus auf die Region gibt. Die Spuren reichen von der Mission über den Welthandel bis hin zu Migration und kolonialer Gewalt – auch in kleinen Gemeinden finden sich solche Zeugnisse der Vergangenheit.

Die Quellensammlung dient der Bildungs- und Kulturarbeit und soll es ermöglichen, konkrete historische Beispiele zu diskutieren und in den heutigen Kontext zu setzen. Ein besonderer Schwerpunkt der Veranstaltung wird die Betrachtung der Situation in Lippe sein. Die Moderation des Abends übernimmt Dr. Bärbel Sunderbrink (Stadtarchiv Detmold).

Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an dieser spannenden und informativen Veranstaltung teilzunehmen. Der Eintritt ist frei.

 

 

Der Kaiser-Wilhelm-Platz und seine Siegessäule

Montag, 07. Oktober 2024, 19:30 Uhr

Die Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink berichtet, wie der Kaiser-Wilhelm-Platz und seine Denkmäler als Erinnerungsort stilisiert und alte Feindbilder wachgehalten wurden.

Veranstalter: NHV Lippe e.V. in Kooperation mit dem Stadtarchiv Detmold und der Deutsch-französischen Gesellschaft.

Der Vortrag findet im Vortragraum des Landesarchivs NRW, Abteilung OWL, Willi-Hofmann-Str. 2, 32756 Detmold, statt.

 

Am 14. August 1874 wurde auf dem zentralen Platz in Detmolds neuer Mitte der Grundstein für ein besonderes Denkmal gelegt: Die Siegessäule, die an die Einigungskriege des Deutschen Reichs erinnert. Dabei war der Krieg von 1870/71 für das Verhältnis von Deutschland und Frankreich besonders einschneidend.

Nach genau einem Jahr wurde die Siegessäule eingeweiht. Kein Zufall, denn der Namensgeber des Platzes, Kaiser Wilhelm I, wurde zur Einweihung des Hermannsdenkmals erwartet. Während auf der Grotenburg das nach langer Bauzeit fertiggestellte Nationaldenkmal ins ganze Reich ausstrahlte, wollte auch die Bürgerschaft Detmolds ihre Verbundenheit zum jungen Deutschen Kaiserreich demonstrierten.

 

 

Rundgang Koloniale Spuren in Detmold

Freitag, 27. September 2024, 15.30 Uhr, Treffpunkt Ecke Bismarckstraße/Paulusstraße

Die Koloniale Vergangenheit Deutschlands ist ein historisches Thema, dessen Nachwirkungen erst in den letzten Jahren ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen sind, dies aber nun mit großer Aufmerksamkeit. Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink und die Kulturwissenschaftlerin Dr. Barbara Frey stellen auf dem Rundgang Stationen vor, die Detmolds Geschichte mit der kolonialen Vergangenheit verbinden.

Der Rundgang startet am Kaiser-Wilhelm-Platz (Ecke Bismarckstraße/Paulinenstraße) und führt entlang des Lippischen Landesmuseums, Theaters und Schlosses weiter zur Bruchstraße, wo sich bis in die 1950er Jahre einer der zahlreichen Kolonialwarenläden befand. In der Langen Straße wurde Tabak aus Kuba und Sumatra verarbeitet und in der Martin-Luther-Kirche erinnert eine Gedenktafel an einen Matrosen, der bei der Eroberung der ersten deutschen Kolonie sein Leben ließ. Weitere Stationen finden sich an der Hornschen Straße: Dort druckte die Firma Klingenberg exotische Werbebilder. Das Ebertsche Palais, heute Lippische Landesbibliothek, zeugt von dem ungeheuren Wohlstand, der im Kolonialhandel erworben werden konnte.

Informationen: Dr. Bärbel Sunderbrink, 05231/766-110 oder stadtarchivdetmold.LOESCHE_DIES.de Kooperation Stadtarchiv Detmold/VHS

Riga als Tat- und Gedenkort der Shoa

Vorträge von Dr. Bärbel Sunderbrink sowie Rahel und Dr. Oliver Arnhold 

Veranstalter: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe in Kooperation mit dem Stadtarchiv Detmold

Zeit und Ort: Mittwoch, 25.9.2024, 19 Uhr, Haus Münsterberg, Hornsche Str. 38, 32756 Detmold

 

Seit dem 31. Januar 2023 gehört die Stadt Detmold zum „Riga-Komitee“. Dieser erinnerungskulturelle Städtebund, dem mittlerweile 80 Städte in Deutschland angehören, hat es sich zur Aufgabe gemacht, an die über 25.000 jüdischen Bürgerinnen und Bürger zu erinnern, die in den Jahren 1941/42 aus ihren Städten nach Riga deportiert und ermordet wurden. Dazu zählten auch über 30 Menschen, die in Detmold gelebt haben. Im Juni 2024 hat eine Delegation der Regierungspräsidentin Katharina Bölling die lettische Hauptstadt besucht. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge und die Adenauer-Stiftung hatten dafür ein Programm zusammengestellt, das einerseits die historischen Stätten des Verbrechens ins Bewusstsein bringen, andererseits auf die gegenwärtige Situation des Landes aufmerksam machen sollte. Ein besonderer Höhepunkt der Reise war die Einweihung des Detmolder Gedenksteins auf der Gedenkstätte Bikernieki.

Regierungspräsidentin Katharina Bölling hat ihr Kommen zugesagt. In ihrem Vortrag erläutert Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink die historischen Hintergründe der Deportation. Im Anschluss berichten Rahel und Dr. Oliver Arnhold als Teilnehmer*innen der Delegationsreise von ihren Eindrücken und Erfahrungen, die sie auf ihrer Reise nach Riga gewonnen haben. 

 

 

Vom Gigantismus zur historischen Innenstadt

Stadtgeschichtliches Projekt zur Stadtsanierung in Detmold

Stadtführung: Entlang der Stadtmauer. Die Geschichte eines Detmolder Wahrzeichens
Sa., 07.09.2024 um 14:30 Uhr
Dr. Bärbel Sunderbink, Friedrich Brakemeier
Treffunkt: Garten hinter der VHS Detmold
Zum Tag des Offenen Denkmals führen Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink und Altbürgermeister Friedrich Brakemeier entlang der an vielen Stellen noch sichtbaren Stadtbefestigung. Seit der Stadtgründung war Detmold durch eine Mauer gesichert. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verlor sie ihre strategische Bedeutung und war daher in ihrem Bestand bis in die 1970er Jahre gefährdet. Sie erfahren, wo die Stadtmauer verlief, wo es Stadttore und -türme gab und was es mit den „Mauerhäusern“ auf sich hat.

Stadtführung: Die Fassaden Detmolder Bürgerhäuser. Vom Umgang mit den Verunstaltungen der Nachkriegszeit
Mi., 09.10.2024 um 15:00 Uhr
Clemens Heuger | Treffpunkt: Rathaus Detmold
In der Nachkriegszeit waren viele Gebäude der Innenstadt durch große Schaufenster verunstaltet worden. Mit einem neuen Denkmalschutzgesetz gab es in den 1980er Jahren ein Umdenken. Clemens Heuger stellt ausgewählte Bürgerhäuser vor, bei denen es dem ehemaligen Denkmalpfleger der Stadt Detmold gelungen ist, eine qualitätvolle Neugestaltung zu bewirken.

Gesprächsabend und Diskussion: Elisabeth Steichele – Die Stadtplanerin, die Detmold rettete
Di., 05.11.2024 um 18:00 Uhr
Friedrich Brakemeier, Thomas Enzensberger, Dr. Bärbel Sunderbrink
VHS Detmold, Vortragsraum
Elisabeth Steichele trat als städtische Mitarbeiterin für die Anliegen der Bürgerinitiative Stadtsanierung ein. Gegen alle Widerstände in der eigenen Verwaltung unterstützte sie den Erhalt der historischen Kernstadt. Dank Steicheles Engagement wurde Detmold im „Bundeswettbewerb Stadtgestalt und Denkmalschutz“ mit einer goldenen Plakette ausgezeichnet. Ehemalige Weggefährten erinnern an die Architektin und diskutieren die Nachhaltigkeit ihres Engagements.


Das Stadthistorische Projekt
Der Abriss der östlichen Altstadt war längst beschlossene Sache, als sich 1972 spontan die „Bürgeraktion Stadtsanierung“ zusammenfand. Ihr Ziel: die Verhinderung einer Flächensanierung und Rettung der historischen Bausubstanz.
Der Plan einer autogerechten Stadt ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen hatte zahlreiche Bürger*innen aktiviert. Sie protestierten gegen die Entwürfe des renommierten Stadtplaners Prof. Friedrich Spengelin (1923-2016), bekannt z.B. für den Wiederaufbau Helgolands. Sein Entwurf für Detmold sah vor, im Sanierungsgebiet mehr als 70 % der vorhandenen Bausubstanz abzubrechen und die Flächen durch gleichförmige, zum Teil vier- bis fünfgeschossige Gebäude zu ersetzen. 160 Haushalte waren von den Plänen betroffen. Die Bürger*innen wollten an den Entscheidungen über ihr Quartier beteiligt werden und erreichten schließlich, dass der Spengelin-Entwurf nicht umgesetzt wurde.
Gleichzeitig bewegte ein weiteres Projekt die Bürger*innen: eine Straßenbauplanung, die allein auf das Auto ausgerichtet war. Externe Verkehrsexperten konnten der Detmolder Kommunalpolitik die Anlage eines orientierungsfreundlichen Stadtrings schmackhaft machen, weil die Politiker*innen immer von der Sorge getrieben waren, in die Provinzialität zu fallen.
Leopoldstraße, Hornsche Straße und Paulinenstraße haben ihr Gesicht stark verändert, doch ein mehrspuriger „Verkehrsgraben“ konnte auch hier von der kritischen Bürgerschaft verhindert werden. Noch heute kann man am Hasselter Platz nachvollziehen, wie die Pläne aussahen: vier Fahrspuren, durch Grünstreifen getrennt, plus Abbiegespuren. Ursprünglich hatte es keine Unterführung unter der Bahnlinie gegeben. Um dort die großzügige Straße realisieren zu können, wurde im Dezember 1973 das Petri-Palais an der Langen Straße abgerissen.
Seit etwa zwei Jahren arbeitet eine Gruppe Ehrenamtlicher rund um Altbürgermeister Friedrich Brakemeier und Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink am Thema Detmolder Stadtsanierung. Es werden Interviews mit Akteuren aus Verwaltung, Politik und Bürgerinitiativen durchgeführt und Unterlagen der Stadtverwaltung und private Quellen ausgewertet.
Interessierte sind eingeladen, sich zu beteiligen. Wenn Sie noch Unterlagen oder Fotos besitzen, die die Veränderungen der Stadt dokumentieren, können Sie diese dem Projekt zur Verfügung stellen.
Kontakt: stadtarchiv@detmold.de • Dr. Bärbel Sunderbrink
Stadtarchiv Detmold • Willi-Hofmann-Str. 2 • 32756 Detmold • 05321 766-110

 

 

Detmolder Gedenkstein in Riga eingeweiht

Gedenken im Wald von Bikernieki: Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink (von links), Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling und die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Dr. Oliver Arnhold und Petra Hölscher, halten am Namensstein der Stadt Detmold inne. Foto: Stadt Detmold

Delegationsreise führt an Orte deutscher Verfolgungsgeschichte

Auf Anregung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit ist die Stadt Detmold 2023 dem Riga-Komitee beigetreten. Das Riga-Komitee hält das Gedenken an die etwa 20.000 aus Deutschland nach Lettland verschleppten Juden wach und erinnert auch an die 70.000 lettischen Juden, die in den Wäldern nahe Riga von deutscher SS und einheimischen Hilfstruppen brutal ermordet wurden. Detmold ist das 75. Mitglied des im Jahre 2000 gegründeten Städtebundes, der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge getragen wird. Mit dem Beitritt zum Riga-Komitee wurde für die Stadt Detmold ein Stein an der Gedenkstätte im Wald von Bikernieki verlegt.

Anlässlich einer Delegationsreise der Regierungspräsidentin Anna Katharina Bölling wurde der Namensstein der Stadt Detmold im Wald von Bikernieki nahe der lettischen Hauptstadt jetzt eingeweiht. Die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Dr. Oliver Arnhold und Petra Hölscher, sowie Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink beteiligten sich an der Feier an der vom Volksbund Deutsche Kriegsgräber geschaffenen Gedenkstätte. Jede der Mitgliedstädte des Riga-Komitees ist dort mit einem Namensstein verewigt.

Detmolds Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink erinnerte in ihrer Ansprache an die Riga-Deportation am 13. Dezember 1941. 26 jüdische Frauen, Männer und Kinder aus Lippe waren zunächst nach Bielefeld gebracht worden. Drei Tage später stiegen sie in den Sonderzug, der über 1000 Menschen in das von deutscher Wehrmacht besetzte Lettland brachte. Da die Deportierten aufgefordert worden waren, Handwerkszeug mitzunehmen, gingen viele davon aus, dass sie sich nach einer Umsiedlung eine neue wirtschaftliche Existenz aufbauen könnten. Doch sie sahen sich bald getäuscht. Als der Zug nach drei Tagen in Riga eintraf, wurden die Menschen bei eisiger Kälte von SS-Leuten in die Moskauer Vorstadt getrieben. In diesem abgesperrten Stadtteil war ein Ghetto für Juden aus dem Reichsgebiet eingerichtet worden. Die Menschen aus dem Zug aus Westfalen, Osnabrück und Lippe mussten in die beengten Wohnungen in der „Bielefelder Straße“ einziehen, in denen noch kurz vorher lettische Juden gelebt hatten. Um für die Juden aus dem Reichsgebiet Platz zu schaffen, war es Anfang Dezember 1941 zu furchtbaren Massenerschießungen gekommen. Die Deportierten ahnten nun, welches Schicksal ihnen bevorstand. Alte und Kranke wurden schon wenig später ermordet. Nur wer sich im System der Zwangsarbeit zusätzliche Nahrung verschaffen konnte, hatte eine minimale Chance. Aus Lippe überlebte einzig Günter Wallhausen. In seine Heimatstadt Bad Salzuflen ist er nicht wieder zurückgekehrt.

Dr. Bärbel Sunderbrink mahnte, dass es ein Anliegen sein müsse, Detmold und Riga gedanklich weiter zusammenzubringen und zu vermitteln, dass die deutsche Verfolgungsgeschichte nicht am Bielefelder Bahnhof endete, sondern in Riga ihre grausame Fortführung erfuhr. Historische Orte könnten wie andere Quellen „gelesen“ werden und eine Vorstellungskraft davon vermitteln, was den Deportierten ganz konkret nach der Abfahrt ihres Deportationszuges widerfahren sei, wie sie entmenschlicht und in den Wäldern bei Riga ermordet worden seien. Die Namenssteine der Mitgliedstädte des Riga-Komitees an der Gedenkstätte zeigten, wie sehr Riga und Westfalen in der Geschichte der Shoa miteinander verbunden sein. Regierungspräsidentin Bölling beschloss die Gedenkveranstaltung im Wald von Bikernieki mit einer Schweigeminute und einem bewegenden Verweis auf die Bedeutung der Erinnerungsarbeit des Volksbundes an dieser Stelle.

Auf dem Programm der Delegationsreise, an der vor allem Personen aus kommunalen Zusammenhängen und Aktive aus dem Bereich der Erinnerungsarbeit teilnahmen, standen neben dem Besuch der Tat- und Gedenkorte auch Einblicke in die aktuelle politische Situation. Der deutsche Botschafter Christian Heldt berichtete über die gewachsene Wahrnehmung der baltischen Staaten als Nato-Ostgrenze. Ein Besuch im Okkupationsmuseum machte deutlich, dass die lettische Gedenkkultur vor allem auf den Unabhängigkeitskampf von der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre fokussiert ist. Welche Bedeutung diese jüngste Geschichte für die aktuelle politische Situation hat, konnten die Teilnehmenden der Delegationsreise auch bei einem Besuch des baltischen Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung erfahren. 

"Vom Gigantismus zur historischen Innenstadt"

Ausstellungsführung an der Bruchmauerstraße

An der Outdoor-Galerie in der Bruchmauerstraße stellen die Mitglieder des Stadtgeschichtlichen Projektes die Ergebnisse ihrer Forschungen vor. Unter dem Titel "Vom Gigantismus zur historischen Innenstadt" ist dokumentiert, wie in den 1970er Jahren die Flächensanierung und überzogene Straßenplanung in Detmold verhindert und die historische Bausubstanz gerettet wurde.

Stadtarchivarin Dr. Bärbel Sunderbrink führt am 18.06.2024 um 18.00 Uhr durch die Ausstellung.

Treffpunkt ist der Heilgarten hinter der VHS.

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Nähere Informationen und Anmeldungen unter Tel. 05231/977-8010 oder im Internet unter www.vhs-detmold-lemgo.de.

 

 

 

  

Das LippeHäuserWiki – Historische Hausstätten, Gebäude und Inschriften im Kreis Lippe

In Lippes Städten und Dörfern begegnet Geschichte auf Schritt und Tritt – und nun wird das geballte Wissen über die historischen Hausstätten und Höfe im Kreis Lippe online jederzeit und an jedem Ort verfügbar, und das kostenlos und ohne Werbung. Zwei Vereine und eine Stiftung stellten im Landesarchiv NRW in Detmold das LippeHäuserWiki vor, eine nunmehr freigeschaltete Mitmachplattform für alle heimatkundlich und ortsgeschichtlich Interessierten.

Das ehrgeizige Ziel ist, langfristig alle bereits vor dem Jahr 1900 vorhandenen Höfe und Hausstätten ebenso wie historische Bauwerke aller Art von Kirchen und Synagogen über Burgen und Schlösser bis hin zu Warttürmen und Feldscheunen zu erfassen. Auch historische Inschriften an Gebäuden, auf Grabsteinen und überall sonst sollen dokumentiert werden. Die gesammelten Fakten sollen nachprüfbar sein: Alle verwendeten Quellen und Vorarbeiten werden detailliert nachgewiesen.  Reiches Bildmaterial macht die Artikel anschaulich und Kartenausschnitte zeigen die Lage der Objekte. Man kann sich auch schon jetzt auf dem Smartphone die nächstgelegenen, bereits im Wiki erfassten Objekte anzeigen lassen.

Federführend bei dem Projekt ist der Naturwissenschaftliche und Historische Verein für das Land Lippe (NHV) in Zusammenarbeit mit der Elbrächter-Stiftung und dem Lippischen Heimatbund (LHB), die gemeinsam die Finanzierung einer dreijährigen Aufbauphase des LippeHäuserWiki sichern. Das Portal kooperiert auch mit zahlreichen Archiven, Bibliotheken und Museen im Kreisgebiet. „Wir unterstützen uns hier gegenseitig, das ist eine großartige Zusammenarbeit“, so Dr. Joachim Kleinmanns, ehrenamtlicher Redakteur des Wiki. „Wichtig ist uns auch der Datenschutz. Der zeitliche Schnitt liegt bei 1925, aus den letzten 100 Jahren werden keine personenbezogenen Daten dokumentiert.“

Die Vorstandsvorsitzende der Elbrächter-Stiftung, Dr. A. Heinrike Heil, freut sich über das einzigartige Vorhaben und betonte: „Unsere Stiftung, die sich besonders dem Denkmalschutz verschrieben hat, fördert das Wiki daher gerne in einem für uns ungewohnt großen Umfang.“ Dr. Bärbel Sunderbrink vom Stadtarchiv Detmold, auf deren Anregung das Projekt ganz wesentlich zurückgeht, bestärkt die Stiftung darin: „Das LippeHäuserWiki lenkt den Blick auch auf die vielen historischen Gebäude, die nicht auf den offiziellen Denkmallisten stehen, die für unsere Städte und Dörfer aber genauso prägend sind.“

Auch Yvonne Huebner, Geschäftsführerin des LHB, zeigte sich begeistert vom Projektstart: „Ein innovatives und zukunftsweisendes Projekt, das der Heimatbund gern finanziell fördert und inhaltlich unterstützt. Gerade auch in den zahlreichen Ortschroniken unserer Mitgliedsvereine werden sich viele Informatioen zu lippischen Häusern für das Wiki finden." Gefion Apel, Vorsitzende des NHV, ist erfreut, dass der Verein das Projekt beherbergen darf: „In das Portal können auch die vielen schon vorhandenen Forschungsergebnisse unseres sehr aktiven Genealogischen Arbeitskreises eingehen. Das Projekt ist ganz modern partizipativ angelegt – alle Interessierten können teilnehmen. Und wie bei der 'großen' Wikipedia gibt es auch hier ein Redaktionsteam zur Qualitätssicherung.“ 

Webadresse: <https://www.lippe-haeuser-wiki.de/>

Kontakt: <r.linde@lippe-haeuser-wiki.de>

Wer sich für das LippeHäuserWiki interessiert, ist herzlich eingeladen zum Webinar am Montag, 10. Juni, ab 19 Uhr über Zoom. Weitere Informationen dazu auf der Homepage.

Zehn neue Stolpersteine erinnern an Menschen aus unserer Stadt

Schülerinnen und Schüler der Realschule I haben die Patenschaft für zehn neue Stolpersteine übernommen und zur Enthüllung aus dem Leben der Menschen berichtet, die sich hinter den Namen verbergen.
Dort, wo in der Pogromnacht 1938 die Synagoge an der Lortzingstaße vollständig durch ein Feuer zerstört wurde, liegen seit heute vier Stolpersteine für Louis, Friederike, Max und Alma Flatow. Fotos: Stadt Detmold

Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit initiiert gemeinsam mit der Stadt Detmold das Gedenken an Opfer der NS-Zeit Detmold.

18 Stolpersteine und eine Stolperschwelle hatte Detmold bereits. Heute sind noch einmal zehn Stolpersteine hinzugekommen. Gemeinsam mit Vertretenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe und Schülerinnern und Schülern der Realschule I hat Bürgermeister Frank Hilker die neuen Gedenksteine enthüllt, die an der Lortzingstraße, an der Bruchstraße und an der Paulinenstraße das Gedenken an zehn Menschen bewahren, die einmal in dieser Stadt zu Hause waren und brutal durch das Nazi-Regime deportiert und in den meisten Fällen in Konzentrationslagern ermordet wurden. In seiner Ansprache wies Bürgermeister Frank Hilker auf die erschreckende Aktualität hin, die das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit hat: „Viele von uns haben sich nicht vorstellen können, dass wir im Jahr 2024 in Deutschland für die Demokratie auf die Straße gehen und uns gegen Hass und Hetzte extrem rechter Gesinnung zur Wehr setzen müssen. Umso wichtiger ist es, dass wir immer wieder daran erinnern, was geschehen ist, und dass wir dafür sorgen, dieses Wissen auf vielfältige Weise auch in die nachfolgenden Generationen zu transportieren“, betonte Hilker.

Die Stolpersteine an der Lortzingstraße, dem Ort der 1938 in der Pogromnacht zerstörten Synagoge, erinnern an Louis, Friederike, Max und Alma Flatow. Ein Stolperstein wurde im Gedenken an Otto Baer an der Bruchstraße enthüllt. Weitere fünf Stolpersteine erinnern auf dem Vorplatz der Sparkassen-Hauptstelle an Leonie und Dr. Albert Hirschfeld sowie an Margarete, Julius und Emma Linz. Alle Informationen, die es über die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Detmold gibt, hat die Detmolder Historikerin Gudrun Mitschke-Buchholz in einem Gedenkbuch zusammengetragen, das online unter www.gedenkbuch-detmold.de zu finden ist.

Schülerinnen und Schüler der AG „Gegen das Vergessen“ der Realschule I unter der Leitung von Timo Schlegel haben die Patenschaft für die Stolpersteine übernommen. An den drei Verlegorten erzählten sie aus den Lebensgeschichten der Menschen und sorgten für die musikalische Untermalung. In Zukunft kümmern sie sich um die Pflege der kleinen Kunstwerke aus Messing und Beton. Der aus Berlin stammende Künstler Gunter Demnig hatte vor etwa 30 Jahren die Idee, überall im Land Stolpersteine zu verlegen. Ihm geht es um das individuelle Gedenken. Die Nationalsozialisten wollten die Menschen vernichten und selbst die Erinnerung an sie auslöschen. Gunter Demnig kehrt diesen Prozess um und holt die Namen zurück in unsere Städte – dorthin, wo die Menschen einst ihren Lebensmittelpunkt hatten.

Insgesamt gibt es überall in Deutschland inzwischen mehr als 100.000 Stolpersteine.

Für die Verlegung ist der Künstler diesmal nicht selbst nach Detmold gekommen, sondern hat diese Aufgabe an die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Lippe übertragen, die wiederum in Kooperation mit der Stadt Detmold für die Umsetzung und den Einbau der Stolpersteine gesorgt hat.

Anschrift

Stadtarchiv Detmold
Willi-Hofmann-Straße 2
32756 Detmold
stadtarchivdetmold.LOESCHE_DIES.de
Empfang: Tel. 05231 / 766-0 

Öffnungszeiten des Lesesaals

Mo 8:00-19:00 Uhr
Di, Mi, Do 8:00-16:00 Uhr
Fr 8:00-13:00 Uhr

Bestellung von Archivalien aus den Magazinen

Mo, Di, Mi, Do
9:00, 10:00, 11:00,
12:00, 13:30, 14:30 Uhr

Fr 9:00, 10:00, 11:00,
11:30 Uhr

Beratung

Beratung nach vorheriger Terminabsprache möglich.   

 

Historisch

783: Der Name Detmold wurde als „Theotmalli“ zum ersten Mal in einem Bericht über eine Schlacht zwischen Franken und Sachsen erwähnt. Es handelt sich dabei allerdings nicht um die heutige Stadt Detmold. Das Detmolder Stadtgebiet wurde erst später besiedelt.

Ab 1194: Bau der Falkenburg als erster Sitz der Edelherren zur Lippe auf dem Territorium ihrer sich allmählich verfestigenden Landesherrschaft. Die Höhenburg im Ortsteil Berlebeck war bis zum Brand Mitte des 15. Jahrhunderts ein Zentrum der herrschaftlichen Macht.

Vermutlich verlieh Edelherr Bernhard III. zur Lippe vor 1265 der Siedlung an seiner an der Oberen Werre gelegenen Burg die Stadtrechte.

1305: Älteste erhaltene Urkunde aus Detmold, ausgestellt von den Bürgermeistern und der Bürgerschaft der Stadt „Detmelle“.

1447: Zerstörung Detmolds in der „Soester Fehde“ durch kölnische Truppen. Wenig später wurde die Burg zur stärksten Festung des Landes ausgebaut.

1528 erfolgte die Erhebung der Edelherren zur Lippe zu Grafen.

1538: Im Zuge der sich ausbreitenden Reformation wurden die lippischen Pfarrer in die Detmolder Kirche geladen, um sie in die Regeln des neuen Bekenntnisses einzuweisen.

1547: Dem großen Stadtbrand fielen etwa 70 Gebäude zum Opfer.

Um 1590 hatte Detmold etwa 700 Einwohner.

1605 führte der Calvinist Graf Simon VI. das reformierte Bekenntnis ein.

Zwischen 1653 und 1661 wurden in Detmold 19 Personen unter Verdacht auf Hexerei zum Tod verurteilt.

1789: Die Grafen zur Lippe wurden vom Kaiser zu Fürsten erhoben.

Um 1835 lebten etwa 4000 Menschen in der Stadt Detmold.

Während der Revolution von 1848 forderten Bürger vor dem Schloss demokratische Rechte.

1875: Kaiser Wilhelm I. weihte das Hermannsdenkmal ein. Es soll an die siegreiche Schlacht der einheimischen Cherusker gegen römische Legionen erinnern. Bereits 1838 war der Grundstein für das Denkmal gelegt worden.

1880: Mit der Eröffnung der Strecke nach Herford erhielt Detmold Anschluss an das Eisenbahnnetz.

1895 wurde die Bahnstrecke nach Altenbeken verlängert.

1917 starben 72 Menschen, zumeist jugendliche Arbeiterinnen, bei einem Explosionsunglück in einer Munitionsfabrik, die Rüstungsgüter für den Ersten Weltkrieg herstellte.

Zwischen der Jahrhundertwende und dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verdoppelte sich die Einwohnerzahl der Kernstadt von 12.000 auf fast 23.000.

1938 zerstörten Nationalsozialisten die Synagoge. In der Zeit des NS-Regimes wurden mehr als 160 Menschen aus Detmold aus rassischen, religiösen und politischen Gründen ermordet, viele weitere wurden verfolgt.

Als Anfang April 1945 amerikanische Truppen die Stadt einnahmen, endete für Detmold der Zweite Weltkrieg. Wenige Wochen später folgte die britische Rheinarmee als Besatzungsmacht.

1947: Lippe schloss sich nach erfolgreichen Verhandlungen als dritter Landesteil Nordrhein-Westfalen an. Die Stadt wurde Sitz der Bezirksregierung Detmold.

1966: Eröffnung des LWL-Freilichtmuseums auf dem Gelände des ehemaligen fürstlichen Tiergartens.

1970: Bei der Kommunalen Neugliederung schlossen sich 25 Gemeinden mit der Stadt Detmold zusammen. Die Bevölkerungszahl wuchs von 30.000 auf 63.000 an.

1995: Beginn des Abzugs der britischen NATO-Streitkräfte.

2009: Die Ausstellung „Mythos“ klärte 1000 Jahre nach dem Kampfgeschehen über den historischen Hintergrund der Varusschlacht auf.