Dr. Bärbel Sunderbrink, Stadtarchiv Detmold
Detmolds Stadtbild ist einzigartig. Dass dies so ist, hat die Stadt nicht nur ihrer besonderen Geschichte als ehemaliger Residenzstadt zu verdanken, sondern auch einer lebendigen Bürgerschaft, die darauf achtet, dass der historische Baubestand erhalten und gepflegt wird. Viele Städte Europas erlitten während des Zweiten Weltkriegs schwere Zerstörungen. Dies blieb Detmold erspart. Später waren es ambitionierte Stadtplaner, die mit ihren Sanierungsvorhaben den Kommunen ihr historisches Gesicht raubten. Detmold hingegen hat heute allein in der Kernstadt über 400 Baudenkmäler aufzuweisen. Zwar wurden auch hier noch in den 1980er Jahren wertvolle Gebäude abgebrochen, um für den Autoverkehr Platz zu schaffen, aber eine geplante Flächensanierung, die einen Großteil der Innenstadt zunichte gemacht hätte, konnte durch eine Bürgerinitiative verhindert werden.
Im historischen Stadtkern kann man die bauliche Entwicklung Detmolds seit dem Mittelalter noch immer gut erkennen. Der Stadt liegt ein festes Straßenschema zu Grunde, das man auch bei anderen Stadtgründungen des 13. Jahrhunderts ähnlich findet. Zur Sicherung der Stadt wurde eine Befestigungsmauer errichtet, die an einigen Stellen bis heute sichtbar ist. Das älteste erhaltene Gebäude ist die in ihren Ursprüngen romanische Erlöserkirche. Zusammen mit dem Marktplatz und dem Rathaus bildete sie das religiöse und gesellschaftliche Zentrum der Kommune. Ganz in der Nähe lag das politische Zentrum: die durch einen Wassergraben noch einmal besonders gesicherte Burg der Edelherren zur Lippe.
Nachdem die inzwischen zu Grafen erhobenen Landesherren Detmold zu ihrer ständigen Residenz gewählt hatten, ließen sie ihre Burg Mitte des 16. Jahrhunderts zum Schloss im repräsentativen Stil der Weserrenaissance ausbauen und sorgten mit dem nun aufblühenden Hofleben für wirtschaftlichen Aufschwung in der Stadt. Die bis heute erhaltenen, oft reich verzierten Bürgerhäuser in Fachwerk entstanden in dieser Zeit – genauer: nach dem verheerenden Stadtbrand von 1547. Siebzig Häuser sollen diesem Brand zum Oper gefallen sein. Während des Dreißigjährigen Krieges geriet Detmold jedoch in große Not. Dass um 1650 die Bevölkerung auf die Hälfte geschrumpft war, lag auch an mehreren Pestwellen, die die Menschen dahin rafften. Es folgten Zeiten sozialer Spannungen, in denen es zu massiven Verfolgungen von Frauen, Männern und Kindern kam, die der Hexerei verdächtigt wurden.
Die Funktion als Residenzstadt wirkte sich auch in der Zeit des Barock sichtbar auf die Stadtentwicklung aus. Ab 1701 wurde als erste Stadterweiterung die Neustadt planmäßig angelegt. Der Friedrichstaler Kanal, der mit Gondeln befahren werden konnte, schaffte eine Verbindung vom Residenzschloss zu dem neu erbauten Palais und der heutigen Inselwiese, wo ein Lustschloss entstehen sollte.
Als die alte Stadtbefestigung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihre Funktionen verlor und an vielen Stellen abgerissen wurde, wuchs die Bebauung über den mittelalterlichen Stadtkern hinaus. Bürgerfamilien ließen sich nun Wohnhäuser im Stil des Klassizismus errichten, etwa an der neu angelegten Leopold- und der Hornschen Straße. Aus dieser Zeit stammt die eindrucksvolle Häuserzeile an der Allee. Außerdem entstanden Repräsentationsgebäude wie das Rathaus oder das ehemalige Gebäude des Gymnasiums Leopoldinum, heute Stadtbibliothek.
Weitere Veränderungen brachte das Anwachsen der Kommunen in der Zeit nach der Reichsgründung 1871. In Detmold wurden im Rahmen einer planvollen Stadterweiterung neue Straßenzüge und der Kaiser-Wilhelm-Platz angelegt. Neben Wohnhäusern im Stil des Historismus entstanden um 1900 Bauten wie die Regierung, der Landtag – beide heute von Justizbehörden genutzt – der Bahnhof, das Postamt, die Christus- und die Martin-Luther-Kirche sowie die Synagoge in der Lortzingstraße. Kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Theater, ein Ersatzbau für das 1912 abgebrannte Hoftheater, eingeweiht.
Bis zur Revolution 1918 blieb Detmold Regierungssitz des Fürstentums Lippe. Mit der Abdankung des Fürsten Leopold IV. und der Wahl eines demokratischen Landtags wurde Detmold zur Hauptstadt eines neuen Freistaates. Seither ist das Schloss im Privatbesitz der ehemaligen Fürstenfamilie, die vertraglich zusichern musste, einige der Räumlichkeiten für die Allgemeinheit zu öffnen.
Auch nach 1918 blieb das zuvor vor allem vom Hof geprägte kulturelle Leben facettenreich. Das künstlerische Erbe der Literaten Christian Dietrich Grabbe, Ferdinand Freiligrath, Georg Weerth und Malwida von Meysenbug, die alle als Kinder oder Jugendliche hier gelebt hatten, wurde und wird gepflegt. Heute trägt besonders die 1946 gegründete renommierte Hochschule für Musik zum internationalen Flair der Stadt bei.
Als sich Lippe 1947 als dritter Landesteil dem Bundesland Nordrhein-Westfalen anschloss, verlor die Kommune ihren Status als Landeshauptstadt. Seither ist sie Sitz der Bezirksregierung für den Regierungsbezirk Detmold. Aber die Stadt ist auch ein Ort der Kultur, des Tourismus, der Bildung und der Wirtschaft. Die Voraussetzungen, das historische Erbe dieses Kleinods zu bewahren und als Pfund für die Zukunft zu begreifen, könnten kaum besser sein.